Zauber der Hoffnung
unkontrolliert. Schuldgefühle ließen ihn erschauern, schlimmer als das eisige Wasser. Niemals hätte er bei diesen Wetterverhältnissen diese Verfolgungsjagd beginnen dürfen. Die Straßensperre hätte genügt, um das Fluchtauto aufzuhalten.
Als er den Schal von ihrem Gesicht nahm, blinzelte sie ihn an, der Anblick ihrer erweiterten Pupillen und ihrer Blässe versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz.
„Kalt“, stöhnte sie.
„Ich weiß, Honey. Ich hole dich hier raus, sobald ich weiß, wie ich dich am besten bewegen kann. Wo hast du Schmerzen?“
Als sie die Augen schloss, sah er, dass Blut von ihrer Schläfe tropfte.
„Was … ist geschehen?“
„Ein Unfall. Du bist von der Straße abgekommen, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden. Wahrscheinlich hast du deinen Kindern das Leben gerettet.“ Er zerrte den schlaffen Airbag zur Seite und hantierte an ihrem Sicherheitsgurt herum.
Eine Sekunde später öffnete sie die Augen und begann, sich fieberhaft zu bewegen. „Meine Kinder?“
„Halt still. Ihnen geht es gut. Ein paar Schrammen, aber sie sind schon an Land und wärmen sich gerade auf. Nichts passiert.“
Sie sank zurück in den Sitz. Sein Funkgerät quäkte, mit steifen Fingern drehte er die Lautstärke herunter, damit er mit ihr sprechen konnte.
„Wo tut es weh, Claire?“, fragte er wieder, strenger diesmal. „Beine. Handgelenke. Ähm, Kopf. Alles.“ Das letzte Wort war nur noch ein Wimmern.
„Ich möchte, dass du dich nicht bewegst, bis wir eine Trage hier haben. Der Rettungswagen muss jeden Moment kommen. Wir müssen einfach noch kurz warten.“
„Meine Kinder. Ich muss zu meinen Kindern.“
„Denen geht es gut. Sie sind in Sicherheit.“
„Versprich es mir. Versprich mir, dass du dich um sie kümmerst.“
„Ich bleibe hier bei dir, bis wir dich aus dem Wasser haben. Dann kümmere ich mich um sie.“ Er strich mit einer Hand über ihr Haar, Blut quoll aus einem Schnitt auf ihrer Stirn. „Halt einfach durch, Liebling.“
„Das ist langsam nicht mehr lustig.“
Trotz allem hätte er beinahe gelacht, obwohl ihm noch nie im Leben so verdammt kalt gewesen war. Außerdem raubten ihm die Schuldgefühle beinahe die Luft zum Atmen. „Nein, könnte ich auch nicht behaupten. Schätze, das soll es auch nicht sein.“ „Erst mein Laden, jetzt das.“
„Ich weiß. Du hattest einen ziemlich harten Tag. Wahrscheinlich den härtesten überhaupt.“
„Bescheuertes Horoskop“, murmelte sie aus irgendeinem Grund, den er nicht verstand. Er hätte sie ja gefragt, aber im Moment zählte nur eines: sie in Sicherheit zu bringen.
4. KAPITEL
W o, zum Teufel, blieben die Sanitäter? Riley starrte hinauf zur Straße, wo kein Blaulicht zu sehen war – außer seinem eigenen. Er konnte erkennen, dass die Kinder versorgt wurden, aber der Rettungswagen war nirgends in Sicht. Wenn die Notärzte von Hope’s Crossing so langsam auf einen Notruf reagierten, musste er mit dem Feuerwehrchef wohl mal ein ernstes Wörtchen reden.
„K…kalt“, wimmerte Claire.
„Ich weiß, Schatz. Halte durch.“ Er wickelte die Decke noch fester um sie. Langsam wurde es eng. Je länger sie bei den eisigen Temperaturen hier draußen waren, desto größer die Gefahr einer Hypothermie.
Er hatte ganz vergessen, wie bitterkalt Frühjahrsstürme in den hohen Rocky Mountains sein konnten. Es war schon fast Ende April, Herrgott noch mal, dennoch musste die Temperatur minus fünf Grad betragen, und der Wind machte es nur noch schlimmer.
Claire verlor immer wieder das Bewusstsein, die Wunde über ihrer linken Schläfe blutete heftig. Sie musste verdammt noch mal schnell aus dem Wasser. Alles in ihm schrie danach, sie in die Arme zu nehmen und in Sicherheit zu bringen, es machte ihn schier verrückt, nur hilflos herumzustehen. Doch er durfte nicht riskieren, ihr noch weitere Verletzungen zuzufügen. Das Beste, das Einzige, was er tun konnte, war, ihr gut zuzureden, bis die Rettungssanitäter mit der Trage auftauchten, um sie aus dem Wasser zu holen.
Er drückte ihren Schal gegen die Wunde. „Claire, Liebes, du musst bei mir bleiben. Nur noch ein paar Minuten, das ist alles.“
Sie stöhnte leise, und er strich ihr erneut das Haar aus der Stirn. „Ich weiß, Liebling, ich bringe dich hier raus. Nur noch einen Moment.“
Er musste daran denken, wie strahlend und schön sie vorhin noch ausgesehen hatte, trotz des Schocks über den Einbruch.Sie jetzt so zu sehen – verängstigt und verletzt – brach ihm fast
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