Zauber der Hoffnung
Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Er war ein Cop, der gerade gesehen hatte, wie eine Frau direkt vor seinen Augen ermordet wurde. Sollte er diesen verrückten Scheißkerl jetzt festnehmen oder noch ein paar Wochen stillhalten?
„Ziehst du irgendeinen Scheiß mit mir ab?“, fragte Oscar. „Du hast sie doch nicht gevögelt, oder?“
„Ich hab sie nicht angerührt.“ Die Worte schmerzten in seinemHals, doch er würgte sie trotzdem hervor. „Ich wollte, hab’s aber nicht. Sie hat dir gehört. Was mich betrifft, kannst du mit ihr machen, was du willst. Geht mich nichts an.“
Oscar schaute ihn wieder mit diesem widerlichen Lächeln an. „Sehr richtig. Weiß schon, warum ich dich mag, Mann.“
Im Traum trat Riley über die Leiche und goss sich noch einen Drink ein, die Norteño-Musik hämmerte in seinem Kopf, sein Herz schlug heftig. Er sah Ratten aus den Schränken kriechen und das Gesicht der Frau auffressen.
Etwas strich gegen seine Hand, ein Ruck durchzuckte seinen Körper, als er aufwachte und seine Hand außer Reichweite der Ratten zog. Dabei tastete er instinktiv nach seiner Waffe, noch ehe er richtig bei sich war.
Er brauchte etwa zwanzig Sekunden, bis ihm klar wurde, dass es hier keine Ratten gab und er auch nicht in diesem hässlichen Apartment in Oakland war, wo er vorgegeben hatte, die Sorte Mann zu sein, die ohne sichtliche Reaktion den gewaltsamen Tod eines anderen Menschen beobachtete.
Ein Hund leckte seine Hand. Hässlich, stämmig und mit kummervollem Blick. Claires Hund, wie es ihm allmählich dämmerte. Er war in Claires Haus mit den hübschen, hell gestrichenen Wänden und den bequemen Möbeln. Er war in ihrem Haus, in einem Stuhl neben einem fast erloschenen Kaminfeuer, in eine weiche Decke gehüllt. Auf dem Sofa konnte er in der Dunkelheit die Silhouette von Claire erkennen und verschwommen ihr schlafendes Gesicht sehen.
Dann bemerkte er, dass er seine Waffe in der Hand hielt. Schnell steckte er sie zurück in das Halfter und holte zitternd Luft, ein wenig desorientiert von dieser rasanten Fahrt aus der Hölle in dieses warme, schöne Haus, in dem es nach frisch gewaschener Wäsche roch und nach Wildblumen und Erdbeermarmelade.
Ein Geruch, der typisch für Claire war. Frisch und süß. Köstlich. Lag es an einer speziellen Seife? Einem Shampoo? Vielleicht war es einfach nur sie. Er wusste noch genau, wie er als Jungeeinmal nach der Schule nach Hause gekommen war und von purem Glück erfüllt wurde, weil er Claires Duft im Zimmer wahrgenommen hatte und somit wusste, dass sie da war.
Er rieb sich über das Gesicht. Monatelang hatte er nicht mehr an Oscar oder Gabriela gedacht. Weshalb jetzt?
Das jedenfalls war der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Zwei Wochen später griff das Sondereinsatzkommando endlich ein und verhaftete jedes verdammte Mitglied der Catorces anhand der Beweise, die Riley gesammelt hatte. Kurz darauf hatte er den Anruf von Dean Coleman erhalten, der ihn gefragt hatte, ob er sich nicht als Polizeichef in Hope’s Crossing bewerben wolle.
Zuvor wäre er niemals auf diese Idee gekommen, doch zu diesem Zeitpunkt in seinem Leben hatte er sich verzweifelt nach etwas Ruhe gesehnt. Nach einem Ort, wo das Leben noch etwas wert war, wo Kinder nicht im Schmutz schliefen und, kaum in der ersten Klasse, bereits lernten, wie man eine Crackpfeife anzündete.
Der krasse Kontrast zwischen der Hässlichkeit seines Traums und den sanften hübschen Farben und Stoffen in diesem Haus brachte ihn noch immer durcheinander.
Hatte Claire ihn zugedeckt? Wer sonst, er konnte sich nicht daran erinnern, sich selbst eine Decke genommen zu haben. Genau genommen konnte er sich auch nicht daran erinnern, überhaupt eingeschlafen zu sein. Sie hatten über den Hoffnungsengel gesprochen und verschiedene Theorien über seine Identität entwickelt. Da musste er mitten im Gespräch weggenickt sein.
Er verlagerte sein Gewicht und begann selbstvergessen, den Hund unter seinen Hängeohren zu streicheln, ein wenig beschämt, dass er sich Claire gegenüber so hatte gehen lassen. Wieso hatte sie ihn nicht geweckt? Und sich auch noch die Mühe gemacht, ihn zuzudecken, wo sie sich wegen ihrer Verletzungen doch kaum bewegen konnte?
Er musterte sie, verblüfft über diese Frau und seine schon länger als zwanzig Jahre andauernde Zuneigung zu ihr.
Warum fühlte er sich so stark zu ihr hingezogen? Lag es an ihrer Großzügigkeit? An dieser Freundlichkeit, die
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