Zauber der Schlange
schwanken und sich zu winden wie Seetang in dem endlosen Auf und Ab von Ebbe und Flut. Die Lampen funkelten wie Edelsteine, stießen leuchtende Farben aus, die in langsamen Schauern wieder niedersanken.
Garion lag ganz benommen auf der Empore neben dem Diwan, seine Augen erfüllt von Licht und sein Kopf reingewaschen von allen Gedanken. Er hatte kein Gefühl für Zeit, keine Wünsche, keinen Willen. Er erinnerte sich kurz und verschwommen an seine Freunde, aber die Erkenntnis, daß er sie nie wiedersehen würde, brachte ihm nur ein kurzes, vorübergehendes Bedauern, eine zeitweilige Melancholie, die recht angenehm war. Er vergoß sogar eine funkelnde Träne über diesen Verlust, aber die Träne landete auf seinem Handgelenk und glitzerte dort in einer solch unirdischen Schönheit, daß er sich ganz in ihrer Betrachtung verlor.
»Wie hat er das fertiggebracht?« sagte die Stimme der Königin irgendwo hinter ihm. Ihre Stimme war so wundervoll musikalisch, daß ihr Klang Garion tief in seiner Seele berührte.
»Es hat Macht«, antwortete Maas, dessen Schlangenstimme Garions Nerven strapazierte und sie in Schwingung versetzte wie die Saiten einer Laute. »Seine Macht ist ungeübt, ungerichtet, aber sehr groß. Hüte dich vor ihm, geliebte Salmissra. Es könnte dich versehentlich zerstören.«
»Ich werde ihn im Zaum halten«, erwiderte Salmissra.
»Vielleicht«, meinte die Schlange.
»Zauberei verlangt Willen«, erklärte Salmissra. »Ich nehme ihm seinen Willen. Dein Blut ist kalt, Maas, und du hast nie das Feuer gespürt, das die Adern mit dem Geschmack von Oret, Athal oder Kaldiss erfüllt. Deine Leidenschaften sind gleichfalls kalt, und du kannst nicht wissen, wie sehr man den Körper dazu benutzen kann, den Willen zu versklaven. Ich versetze seinen Geist in Schlaf und überschütte ihn dann mit Liebe.«
»Liebe, Salmissra?« fragte die Schlange belustigt.
»Das Wort ist so gut wie jedes andere«, antwortete sie. »Nenne es Appetit, wenn du willst.«
»Das kann ich verstehen«, stimmte Maas zu. »Aber unterschätze dieses Wesen nicht – oder überschätze nicht deine eigene Macht. Es hat keinen normalen Geist. Es ist etwas Seltsames daran, das ich nicht ganz durchschaue.«
»Wir werden sehen«, sagte sie. »Sadi«, rief sie dann dem Eunuchen zu.
»Ja, meine Königin?«
»Nimm den Knaben. Laß ihn baden und parfümieren. Er riecht nach Schiffen, Teer und Salzwasser. Ich mag solche alornischen Gerüche nicht.«
»Sofort, Ewige Salmissra.«
Garion wurde an einen Ort gebracht, wo es heißes Wasser gab. Man nahm ihm die Kleider ab, und er wurde untergetaucht und eingeseift und wieder untergetaucht und eingeseift. Duftende Öle wurden in seine Haut gerieben, dann band man ihm ein kurzes Lendentuch um die Hüften.
Danach wurde er fest beim Kinn genommen, und man legte ihm Rouge auf die Wangen. Erst dabei bemerkte er, daß die Person, die ihn schminkte, eine Frau war. Langsam, fast gleichgültig, ließ er seine Augen durch den Baderaum schweifen. Er stellte fest, daß außer Sadi nur Frauen anwesend waren. Er hatte das Gefühl, dies sollte ihn irgendwie beunruhigen – es hatte etwas damit zu tun, nackt in Gegenwart von Frauen zu sein –, aber er konnte sich nicht mehr genau erinnern, warum.
Als die Frau sein Gesicht fertig geschminkt hatte, nahm Sadi der Eunuch ihn beim Arm und führte ihn durch die schwach erleuchteten, endlosen Gänge zurück in den Raum, wo Salmissra ausgestreckt auf ihrem Diwan unter der Statue lag und sich im Spiegel bewunderte.
»Viel besser«, sagte sie und betrachtete Garion von oben bis unten mit einer gewissen Bewunderung. »Er ist viel muskulöser, als ich dachte. Bring ihn her.«
Sadi brachte Garion neben den Diwan der Königin und drückte ihn sanft in die Kissen, in denen Essia sich geräkelt hatte.
Salmissra streckte langsam eine Hand aus und fuhr mit ihren kalten Fingerspitzen über sein Gesicht und seine Brust. Ihre hellen Augen schienen zu brennen, und ihre Lippen öffneten sich leicht. Garions Augen hefteten sich auf ihren blassen Arm. Keine Spur von Haar war auf der weißen Haut zu sehen.
»Glatt«, sagte er unbestimmt und versuchte, sich auf diese Merkwürdigkeit zu konzentrieren.
»Natürlich, mein Belgarion«, murmelte sie. »Schlangen sind haarlos, und ich bin die Königin der Schlangen.«
Langsam, verwirrt, hob er die Augen zu der glänzenden schwarzen Haarfülle, die über ihre weißen Schultern hinabfloß.
»Nur das«, sagte sie und berührte die Locken
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