Zauber der Schlange
wirklich nicht? Dann hast du noch weiter zu gehen, als ich dachte. Leg deine rechte Hand auf das Amulett.«
»Warum?«
»Tu es einfach, Garion.«
Garion griff unter seine Tunika und legte seine brennende Hand auf das Medaillon. Wie ein Schlüssel in das dafür bestimmte Schloß paßt, so schien auch der Kontakt zwischen seiner Hand und dem pulsierenden Amulett richtig zu sein. Das Kitzeln wurde zu der inzwischen vertrauten Woge, und das Dröhnen hallte hohl in seinen Ohren wider.
»Nicht zuviel«, warnte die Stimme ihn. »Du sollst schließlich nicht den ganzen Fluß austrocknen.«
»Was geschieht? Was ist das alles?«
»Belgarath versucht, uns zu finden.«
»Großvater? Wo?«
»Hab Geduld.«
Das Hämmern schien lauter zu werden, bis Garions ganzer Körper mit jedem dröhnenden Schlag bebte. Er starrte über die Reling hinaus und starrte in den Dunst. Die fallende Asche, so leicht, daß sie auf dem schlammigen Wasser des Flusses schwamm, ließ alles, was in mehr als zwanzig Schritt Entfernung lag, undeutlich werden. Es war unmöglich, die Stadt zu erkennen, und das Schreien und Wehklagen aus den unsichtbaren Straßen wirkte eigenartig gedämpft. Nur das langsame Plätschern der Wellen gegen das Ufer war deutlich zu hören. Dann, weit draußen auf dem Fluß, bewegte sich etwas. Es war nicht sehr groß und kaum mehr als ein dunkler Schatten, der geisterhaft leise den Fluß herunterkam.
Das Dröhnen wurde noch lauter.
Der Schatten kam näher. Garion konnte die Umrisse eines kleinen Bootes ausmachen. Ein Ruder tauchte mit leisem Plätschern ins Wasser. Der Mann an den Riemen sah über die Schulter. Es war Silk. Sein Gesicht war mit grauer Asche bedeckt, und kleine Schweißbäche liefen ihm über die Wangen. Meister Wolf saß im Heck des kleinen Bootes, eingehüllt in seinen Umhang, die Kapuze hochgezogen.
»Willkommen, Belgarath«, sagte die sachliche Stimme.
»Wer ist da?« fragte Wolfs Stimme in Garions Gedanken verblüfft. »Bist du das, Belgarion?«
»Nicht ganz«, erwiderte die Stimme. »Oder noch nicht, aber wir kommen der Sache näher.«
»Ich habe mich schon gefragt, wer den ganzen Lärm macht.«
»Er übertreibt manchmal. Er wird es noch lernen.«
Ein Schrei ertönte von einem der Matrosen, die sich im Heck um Barak scharten. Alle beobachteten, wie das kleine Boot auf sie zutrieb.
Tante Pol kam herauf an die Reling. »Ihr kommt spät«, rief sie.
»Es ist etwas geschehen«, antwortete der alte Mann über das Wasser hinweg. Er zog die Kapuze ab und schüttelte die staubfeine Asche aus seinem Mantel. Dann sah Garion, daß der linke Arm des alten Mannes in einer schmutzigen Schlinge hing.
»Was hast du mit deinem Arm gemacht?« fragte Tante Pol.
»Ich möchte lieber nicht darüber reden.« Ein häßlicher Kratzer lief von Wolfs Wange bis in seinen kurzen, weißen Bart. Seine Augen glitzerten ärgerlich.
Das Grinsen auf Silks aschgrauem Gesicht wurde boshaft, als er seine Ruder ein letztes Mal eintauchte und das kleine Boot geschickt neben Greldiks Schiff steuerte.
»Ich kann dich wohl nicht überreden, den Mund zu halten«, sagte Wolf gereizt zu dem kleinen Mann.
»Würde ich je etwas sagen, mächtiger Zauberer?« fragte Silk spöttisch, die Wieselaugen groß vor gespielter Unschuld.
»Hilf mir einfach an Bord«, sagte Wolf spitz. Er benahm sich ganz wie ein Mann, den man tödlich beleidigt hatte.
»Wie du willst, Alter Belgarath«, sagte Silk, der offenbar Mühe hatte, nicht zu lachen. Er stützte Wolf, während der alte Mann ungeschickt über die Reling kletterte.
»Laßt uns hier verschwinden«, sagte Meister Wolf kurz angebunden zu Kapitän Greldik, der eben dazugekommen war.
»Welche Richtung, Uralter?« fragte Greldik vorsichtig, der den alten Mann nicht noch weiter reizen wollte.
Wolf starrte ihn an.
»Flußauf- oder abwärts?« erklärte Greldik behutsam.
»Flußaufwärts natürlich«, fuhr Wolf ihn an.
»Woher sollte ich das wissen?« beklagte sich Greldik bei Tante Pol. Dann bellte er seinen Matrosen Befehle zu.
Tante Pols Miene war eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Neugier. »Deine Geschichte ist bestimmt absolut faszinierend, Vater«, sagte sie, als die Matrosen die schweren Anker einholten. »Ich kann es nicht erwarten, sie zu hören.«
»Ich kann jetzt gut ohne deinen Sarkasmus auskommen, Pol«, sagte Wolf. »Ich hatte einen sehr schlechten Tag. Mach ihn bitte nicht noch schlimmer.«
Das war schließlich zuviel für Silk. Der kleine Mann, der gerade über
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