Zauber der Schlange
eine Art lustvoller Einladung um sie, ein überreifes Versprechen unaussprechlicher Vergnügungen. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück.
»Hab keine Angst, mein Belgarion«, schnurrte sie. »Ich werde dir nicht wehtun – es sei denn, du möchtest es. Deine Pflichten hier werden sehr vergnüglich sein, und ich kann dir Dinge beibringen, von denen Polgara nicht einmal träumt.«
»Komm weg von ihm, Salmissra«, befahl der junge Mann auf der Empore schmollend. »Du weißt, ich kann es nicht leiden, wenn du anderen deine Aufmerksamkeit schenkst.«
Ärger blitzte in den Augen der Königin auf. Sie drehte sich um und betrachtete den jungen Mann kühl. »Was du leiden kannst oder nicht, kümmert mich eigentlich nicht mehr, Essia«, sagte sie.
»Was?« rief Essia ungläubig. »Tu sofort, was ich dir sage!«
»Nein, Essia.«
»Ich werde dich bestrafen«, drohte er.
»Nein«, erwiderte sie, »das wirst du nicht. So etwas amüsiert mich nicht mehr, und deine Schmollerei und Wutanfälle sind inzwischen langweilig. Geh jetzt.«
»Gehen?« Essias Augen quollen ungläubig hervor.
»Du bist entlassen, Essia.«
»Entlassen? Aber du kannst ohne mich nicht leben. Du hast das selbst gesagt.«
»Wir sagen alle manchmal Dinge, die wir nicht so meinen.«
Die Arroganz entwich aus dem Gesicht des jungen Mannes wie Luft aus einem Ballon. Er schluckte hart und begann zu zittern. »Wann darf ich zurückkommen?« winselte er.
»Überhaupt nicht, Essia.«
»Nie?« hauchte er.
»Nie«, bestätigte sie. »Jetzt geh und hör auf, mir eine Szene zu machen.«
»Was soll denn aus mir werden?« rief Essia. Er begann zu schluchzen, wodurch ihm die Schminke in grotesken Streifen über das Gesicht lief.
»Werde nicht lästig, Essia«, sagte Salmissra. »Pack deine Sachen und geh – und zwar sofort! Ich habe einen neuen Gemahl.« Sie ging zurück auf die Empore.
»Die Königin hat einen neuen Gemahl erwählt«, intonierte der Eunuch.
»Ah«, sangen die anderen. »Heil dem Gemahl der Ewigen Salmissra, dem glücklichsten aller Männer.«
Der schluchzende junge Mann raffte ein rosafarbenes Gewand und ein reich geschnitztes Schmuckkästchen an sich. »Du hast das getan«, beschuldigte er Garion. »Es ist alles deine Schuld.« Plötzlich zog er aus den Falten des Gewandes, das er über dem Arm trug, einen kleinen Dolch.
»Ich werde es dir zeigen«, schrie er und hob den Dolch, um zuzustechen.
Diesmal war keine Überlegung beim Konzentrieren des Willens nötig. Die Woge der Kraft kam ohne Warnung und schob Essia zurück. Er zerschnitt wirkungslos die Luft mit seinem kleinen Messer. Dann war die Woge vorbei.
Essia warf sich wieder nach vorn, die Augen irre, den Dolch erhoben. Wieder kam die Woge, diesmal stärker. Der junge Mann wurde davongewirbelt. Er fiel, und sein Dolch schoß klirrend über den Boden.
Salmissra deutete mit blitzenden Augen auf den hingestreckten Essia und schnippte zweimal mit den Fingern. Fast so schnell wie ein Pfeil schoß eine kleine grüne Schlange unter dem Diwan hervor, das Maul zu einem wütenden Zischen aufgerissen. Sie schlug einmal zu, in Essias Oberschenkel, dann glitt sie rasch beiseite und beobachtete ihn mit reglosen Augen.
Essia rang nach Luft und wurde blaß vor Entsetzen. Er versuchte aufzustehen, aber Arme und Beine knickten auf dem polierten Boden unter ihm weg. Er stieß einen erstickten Schrei aus, dann begannen die Krämpfe. Seine Fersen hämmerten auf den Boden, die Arme wirbelten wie Dreschflegel. Seine Augen wurden leer und glasig, und grüner Schaum schoß ihm aus dem Mund. Sein Körper bog sich zurück, jeder Muskel unter seiner Haut zog sich zusammen, und sein Kopf schlug auf die Fliesen. Er tat einen letzten, verkrampften Satz, der seinen ganzen Körper vom Boden hob. Als er wieder herunterkam, war er tot.
Salmissra sah zu, wie er starb. Ihre blassen Augen waren ausdruckslos, gleichgültig, ohne eine Spur von Zorn oder Bedauern.
»Der Gerechtigkeit ist Genüge getan«, verkündete der Eunuch.
»Schnell ist die Gerechtigkeit der Königin des Schlangenvolkes«, antworteten die anderen.
28
E s gab noch andere Dinge, die sie ihm zu trinken gaben – manche bitter, manche ekelhaft süß. Sein Geist schien mit jedem Becher, den er an die Lippen setzte, tiefer zu sinken. Seine Augen begannen ihm seltsame Streiche zu spielen. Ihm schien, als wäre die ganze Welt ertrunken und alles spiele sich unter Wasser ab. Die Wände waberten, und die Gestalten der knienden Eunuchen schienen zu
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