Zauber der Schlange
nicht sie, das bin dann ich.«
Getröstet durch diese stille Versicherung, ging Garion gehorsam neben Sadi dem Eunuchen her, während der Körper der Schlange Maas schwer auf seinen Schultern und seiner Brust lastete und der abgeplattete Reptilkopf fast kosend an seiner Wange lag.
Sie betraten einen großen Raum, dessen Wände schwer verhangen waren, und in dem kristallene Öllampen glitzernd an silbernen Ketten hingen. Eine riesige Steinstatue, deren oberes Drittel sich in der schattigen Höhle verlor, ragte gewaltig an einem Ende des Raumes auf. Unmittelbar vor der Statue befand sich eine niedrige, steinerne Plattform, die mit Teppichen und Kissen ausgelegt war. Auf der Plattform stand ein schwerer Diwan, der nicht ganz Sessel und nicht ganz Sofa war.
Auf dem Diwan lag eine Frau. Ihr Haar war rabenschwarz und fiel in losen Locken über ihre Schultern hinab. Um ihren Kopf lag eine kunstvoll gearbeitete goldene Krone, die vor Juwelen glitzerte. Ihr Gewand war weiß und hauchfein gesponnen. Es verhüllte keineswegs ihren Körper, sondern schien nur getragen zu werden, damit Juwelen und Schmuck daran befestigt werden konnten. Unter diesem Schleier war ihre Haut von einem fast kalkigen Weiß, und ihr Gesicht war außerordentlich schön. Ihre Augen waren hell, nahezu farblos. Ein großer, goldgerahmter Spiegel stand auf einem Sockel an einer Seite des Diwans. Die Frau lag ungeniert da und bewunderte sich in dem Glas.
Zwei Dutzend kahlgeschorener Eunuchen in roten Gewändern knieten gedrängt auf einer Seite der Empore, hockten auf ihren Fersen und betrachteten die Frau und die Statue hinter ihr mit anbetender Bewunderung.
Zwischen den Kissen neben dem Diwan rekelte sich ein verzärtelt wirkender junger Mann, dessen Kopf nicht rasiert war. Sein Haar war sorgfältig in Locken gelegt, seine Wangen waren künstlich gerötet, und um seine Augen war er phantastisch geschminkt. Er trug nur ein winziges Lendentuch, und sein Gesichtsausdruck war gelangweilt und verdrießlich. Die Frau fuhr geistesabwesend mit den Fingern durch seine Locken, während sie sich gleichzeitig im Spiegel betrachtete.
»Die Königin hat Besuch«, verkündete einer der knienden Eunuchen in singendem Tonfall.
»Ah«, sangen die anderen im Chor, »Besucher.«
»Heil, Ewige Salmissra«, sagte Sadi der Eunuch und warf sich vor der Empore und der helläugigen Frau zu Boden.
»Was gibt es, Sadi?« fragte sie. Ihre Stimme vibrierte und hatte ein seltsam dunkles Timbre.
»Der Knabe, meine Königin«, sagte Sadi, das Gesicht noch immer zu Boden gepreßt.
»Auf die Knie mit dir vor der Schlangenkönigin«, zischte die Schlange in Garions Ohr. Ihre Windungen zogen sich um Garions Körper zusammen, und er fiel durch den plötzlichen heftigen Druck auf die Erde.
»Komm her, Maas«, sagte Salmissra zu der Schlange.
»Die Königin ruft ihre geliebte Schlange zu sich«, intonierte der Eunuch.
»Ah.«
Das Reptil ringelte sich von Garions Körper und schlängelte sich zu dem Diwan hinüber, richtete sich über der liegenden Frau auf, ließ sich auf ihrem Körper nieder und schmiegte den dicken Leib in ganzer Länge an sie. Der stumpfe Kopf hob sich zu ihrem Gesicht, und sie küßte ihn zärtlich. Die lange, gespaltene Zunge glitt über ihr Gesicht, und Maas begann ihr zischend ins Ohr zu flüstern. Sie lag in der Umarmung der Schlange, lauschte ihrer zischenden Stimme und betrachtete Garion unter schweren Lidern hervor.
Dann schob die Königin das Reptil zur Seite, erhob sich und stand über Garion. »Willkommen im Land des Schlangenvolkes, Belgarion«, sagte sie mit ihrer vibrierenden Stimme.
Der Name, den er bislang nur von Tante Pol gehört hatte, durchzuckte Garion wie ein Schock, und er versuchte, den Nebel in seinem Kopf zu vertreiben.
»Noch nicht«, warnte ihn die sachliche Stimme in seinem Geist.
Salmissra trat von der Empore herab, ihr Körper bewegte sich mit geschmeidiger Anmut unter ihrem durchsichtigen Gewand. Sie nahm Garion beim Arm und zog ihn sanft auf die Füße, dann berührte sie zögernd sein Gesicht. Ihre Hand war sehr kalt. »Ein hübscher junger Mann«, hauchte sie, mehr zu sich selbst. »So jung. So warm.« Ihr Blick wirkte hungrig.
Eine seltsame Verwirrung überfiel Garion. Der bittere Trank, den Sadi ihm gegeben hatte, lag über seinem Bewußtsein wie eine Decke. Darunter fühlte er sich gleichzeitig verängstigt und merkwürdig angezogen von der Königin. Ihre weiße Haut und die leblosen Augen waren abstoßend, dennoch war
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