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Zauber der Schlange

Zauber der Schlange

Titel: Zauber der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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trug ein dunkelblaues Kleid, das am Mieder mit Spitzen verziert war, und ein kurzes Zobelcape.
    »Was macht Ihr mit meinem Kanarienvogel?« fragte der Kaiser.
    »Ich höre ihm zu«, antwortete sie.
    »Wie habt Ihr ihn zum Singen gebracht? Ich versuche das seit Monaten.«
    »Eure Hoheit haben ihn nicht ernst genug genommen.«
    »Wer ist diese Frau?« fragte der Kaiser.
    »Meine Tochter Polgara«, sagte Meister Wolf. »Sie hat ein ganz besonderes Verständnis für Vögel.«
    Der Kaiser lachte plötzlich ein rauhes, skeptisches Lachen. »Ach, komm. Ihr erwartet doch nicht tatsächlich von mir, daß ich das glaube, oder?«
    Wolf sah ihn ernsthaft an. »Seid Ihr wirklich sicher, daß Ihr mich nicht kennt, Ran Borune?« fragte er leise. Der blaßgrüne Umhang, den Grinneg ihm geliehen hatte, ließ ihn fast wie einen Tolnedrer wirken – fast, aber nicht ganz.
    »Eine schlaue List«, sagte der Kaiser. »Ihr seht entsprechend aus, und sie ebenfalls, aber ich bin kein Kind mehr. Ich glaube schon lange nicht mehr an Märchen.«
    »Schade. Dann ist Euer Leben seitdem wohl ziemlich leer gewesen.« Wolf sah sich in dem gepflegten Garten mit den Dienern und Springbrunnen und Leibwächtern des Kaisers um, die unauffällig hier und dort zwischen den Blumenbeeten postiert waren. »Selbst mit all dem hier, Ran Borune, ist ein Leben ohne jedes Wunder flach und schal.« Seine Stimme klang etwas traurig. »Vielleicht habt Ihr zuviel aufgegeben.«
    »Morin«, befahl Ran Borune energisch, »schicke nach Zerel. Wir werden das sofort klären.«
    »Sogleich, Eure Majestät«, sagte Morin und gab einem der Diener einen Wink.
    »Kann ich meinen Kanarienvogel wiederhaben?« fragte der Kaiser Tante Pol ziemlich kläglich.
    »Natürlich.« Sie ging über den Rasen auf den Kaiser zu und bewegte sich dabei behutsam, um den trillernden kleinen Vogel nicht zu erschrecken.
    »Manchmal frage ich mich, wovon sie wohl singen«, sagte Ran Borune.
    »Im Moment erzählt er mir von dem Tag, an dem er fliegen lernte«, sagte Tante Pol. »Das ist ein sehr wichtiger Tag für einen Vogel.« Sie streckte die Hand aus, und der Kanarienvogel hüpfte, immer noch singend und die strahlenden Augen auf Ran Borunes Gesicht gerichtet, auf den Finger des Kaisers.
    »Eine amüsante Spielerei.« Der kleine alte Mann lächelte und starrte auf das Sonnenlicht, das auf dem Wasser eines Springbrunnens glitzerte. »Aber ich fürchte, ich habe keine Zeit für so etwas. Im Augenblick hält die ganze Nation in Erwartung meines Todes den Atem an. Alles scheint zu denken, das beste, was ich für Tolnedra tun könnte, sei unverzüglich zu sterben. Manche machen sich sogar die Mühe, mir dabei helfen zu wollen. Allein in der vergangenen Woche haben wir vier Attentäter im Palast geschnappt. Die Boruner, meine eigene Familie, verlassen mich, so daß ich kaum noch genug Leute habe, um den Palast zu verwalten, geschweige denn das Reich. Ah, hier kommt Zerel.«
    Ein magerer Mann mit buschigen Augenbrauen, der in einen roten, mit allerlei geheimnisvollen Symbolen bedeckten Umhang gekleidet war, eilte über den Rasen und verbeugte sich tief vor dem Kaiser. »Hoheit haben nach mir geschickt?«
    »Man hat mir gesagt, daß diese Frau die Zauberin Polgara sei«, sagte der Kaiser, »und dieser alte Mann hier Belgarath. Sei ein braver Bursche, Zerel, und überprüfe das.«
    »Belgarath und Polgara?« spottete der Mann. »Eure Hoheit meinen das sicherlich nicht ernst. Das sind Namen aus der Mythologie. Diese Leute gibt es nicht.«
    »Seht«, sagte der Kaiser zu Tante Pol. »Ihr existiert nicht. Das sagt der beste Gutachter. Zerel ist selbst ein Zauberer, wißt ihr.«
    »Ach, wirklich?«
    »Einer der besten«, versicherte er ihr. »Natürlich sind die meisten seiner Tricks bloße Fingerfertigkeit, denn schließlich ist alle Zauberei nur Schein, aber er amüsiert mich – und er nimmt sich selbst sehr ernst. Fang an, Zerel, aber sorge dafür, daß es nicht wieder so einen scheußlichen Gestank gibt wie meistens.«
    »Das wird nicht nötig sein, Hoheit«, sagte Zerel knapp. »Wenn sie tatsächlich Zauberer wären, hätte ich sie sofort erkannt. Wir haben besondere Wege der Verständigung, wißt Ihr.«
    Tante Pol betrachtete den Zauberer mit hochgezogenen Brauen. »Ich finde, du solltest etwas genauer hinsehen, Zerel«, schlug sie vor. »Manchmal entgeht uns etwas.« Sie machte eine kaum wahrnehmbare Geste, und Garion glaubte, ein schwaches Geräusch zu hören.
    Der Zauberer starrte gebannt in die Luft

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