Zauber der Sonneninsel
hundertmal an dem Schild vorbeigefahren sein muss. Sie haben eine Menge Orangenbäume.”
“Ungefähr eine halbe Million”, bestätigte er sachlich.
“So viele? Lieber Himmel, ein Baum für jeden Einwohner von Palma!”
“Das klingt, als ob es ein Verbrechen wäre, Orangenbäume zu haben”, sagte Torres sarkastisch.
“Land zu besitzen ist nichts Verwerfliches.”
“Das freut mich.”
“Es kommt nur darauf an, wie man mit dem Land umgeht”, fuhr sie fort und sah ihm direkt in die Augen. “Ob man es ausbeutet und zerstört oder ob man versucht, es für die kommenden Generationen zu erhalten.”
“Danke für die Belehrung.” Torres verbeugte sich leicht und lächelte sie spöttisch an.
“Um die Wahrheit zu sagen, Señor, ich bin angenehm überrascht, dass Sie nicht der reiche Müßiggänger sind, für den ich Sie bisher gehalten habe.”
“Müßiggänger gibt es hier nicht”, sagte er. “Die Hälfte dieser Bäume habe ich mit meinen eigenen Händen gepflanzt.”
Unwillkürlich sah sie auf seine Hände. Es waren schöne Hände, lang und schmal und trotzdem kräftig. Starke Männerhände, wie geschaffen zum Arbeiten und Kämpfen, aber auch, um zärtlich zu sein.
“Das mit den Orangenbäumen ist beeindruckend.” Petra trank einen Schluck Kaffee. “Und da Sie offenbar kein verhätschelter Playboy sind, müssten Sie eigentlich begreifen, worum es mir geht.” Seine Haltung wurde starr.
“Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich auf Alcamar hart gearbeitet”, erwiderte er kalt. “Ich versichere Ihnen, dass ich oft lieber ein reicher Müßiggänger gewesen wäre. Eigentümer von Alcamar zu sein, ist nicht so einfach, wie Sie glauben.” Er lächelte ironisch. “Eigentlich war mir ein anderes Leben vorbestimmt.”
“Mir bricht das Herz”, erwiderte sie spöttisch. Bewusst hatte sie seine eigene Redewendung vom Telefongespräch wiederholt. “Es mag schwierig sein, Alcamar zu erhalten”, fuhr sie schnell fort, “aber Sie können kaum von mir erwarten, dass ich Sie bemitleide, weil Ihnen dieses wunderschöne Anwesen gehört.”
“Um Mitleid habe ich nicht gebeten.” Bisher hatte Torres gestanden, nun setzte er sich neben sie und lehnte sich bequem zurück. “Wir sind auch nicht hier, um über Alcamar zu reden.”
“Nein.” Sie stellte die leere Kaffeetasse auf den Tisch und nahm ein Bündel Papiere aus der Handtasche. “Ich habe Ihnen etwas zum Lesen mitgebracht, Señor Torres.”
“Das freut mich”, sagte er, aber es klang, als meinte er das genaue Gegenteil.
“Sie sollten diese Papiere lesen”, empfahl Petra. “Vielleicht können sogar Sie etwas daraus lernen. Das hier ist zum Beispiel eine Broschüre über Sa Virgen, die die Umweltgruppe letztes Jahr veröffentlicht hat.”
Torres blickte verächtlich auf das Dokument, das hauptsächlich von Barry Lear zusammengestellt worden war. “Ich habe dieses Meisterwerk schon gelesen. Reine Panikmache.”
“Tatsächlich?” Petra beugte sich angriffslustig vor. “Dann zeigen Sie mir doch die Stellen, die nicht wahr sind.”
“Die ganze Broschüre ist eine einzige Lüge”, erwiderte er, während er die Papiere durchblätterte. “Dieser so genannte Wissenschaftler behauptet, ich will aus Sa Virgen eine Betonwüste machen.”
“Er ist kein ’so genannter Wissenschaftler’“, empörte Petra sich. “Zufälligerweise ist er ein Freund von mir und außerdem ein anerkannter Vogelkundler!”
“Ich weiß, was er ist”, sagte Tomás verächtlich. “Barry Lear ist eigentlich Gast auf dieser Insel, aber er benimmt sich nicht so. Er macht nur Schwierigkeiten. Und Sie nennen ihn Ihren Freund?”
“Ich bewundere sein Engagement”, erwiderte Petra hartnäckig. “Für Sie mag er ein Fanatiker sein, weil er Ihren Plänen im Wege steht. Aber Leute wie er sind die Einzigen, die sich auf dieser Insel über die Umwelt Gedanken machen!”
“Sie reden wie ein verblendetes Schulmädchen”, sagte er kalt.
“Es tut mir leid, wenn ich Sie in dieser Hinsicht enttäuschen muss.” Petra hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten.
“Sie verwechseln Aggression mit Hingabe, Petra. Dabei hat das nichts miteinander zu tun.”
“Von Ihnen hätte ich sowieso nicht erwartet, dass Sie Barry Lear objektiv beurteilen”, schnappte sie wütend. “Deshalb können Sie sich die Mühe sparen, mich gegen ihn zu beeinflussen!”
“Beeinflussen?” fragte Torres ungläubig. “Wenn jemand versucht, andere Leute zu beeinflussen, dann ist es doch
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