Zauber der Sonneninsel
Sarkasmus war unüberhörbar. Sein Blick und sein sinnlicher Mund ließen Petras Herz höher schlagen, und sein Lächeln verriet, dass er sich seiner Männlichkeit und seiner Macht über Frauen sehr bewusst war.
Seine Augen und das dichte, leicht gelockte Haar waren schwarz. Aber es war die Nase, die dieses Gesicht unverwechselbar machte. Sie musste einmal gebrochen gewesen sein.
Diese Mischung aus männlicher Schönheit und Brutalität war verwirrend, und Petra fühlte ihre Knie zittern, als sie ihm in die Augen sah. Hinter seinem Lächeln war etwas anderes verborgen, etwas Dunkles und Ursprüngliches, das sie erschauern ließ.
Die Frau seufzte ungeduldig, schien zu spüren, was in Petra vor sich ging. Das Lächeln des Mannes vertiefte sich dagegen.
“Sie müssen ein mutiges Mädchen sein”, sagte er sanft. “Sie haben einiges riskiert, um nach Cala Vibora zu kommen.”
Petra erwiderte schnippisch: “Nicht mehr als Sie.”
“Das stimmt nicht.” Der Tonfall war typisch spanisch, aber sein Englisch war korrekt und fast perfekt. “Wir haben der Strömung fünfhundert PS entgegenzusetzen, während Sie auf den Wind angewiesen sind, und der ist sehr unbeständig. Sie hätten fast den Felsen gestreift. Wir haben Sie beobachtet.”
Petra fühlte sich unbehaglich. Sie hatten also gesehen, wie sie die Klippen hinaufgeklettert war und mit dem Fernglas die fremde Yacht ausgekundschaftet hatte. “Ich komme oft hierher, um die Vögel zu beobachten”, erklärte sie in Spanisch. “Ich kenne die Risiken.”
“Tatsächlich?” Er zog eine Augenbraue hoch, als wäre er tief beeindruckt. Diese Art von Spott konnte Petra nicht ausstehen.
“Tatsächlich”, entgegnete sie kurz. “Es tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe, aber ich würde jetzt gern weiter die Klippen entlanggehen.”
“Hier geht es nicht weiter”, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. “Der Pfad hier ist während des letzten Regens teilweise weggespült worden.”
Petra zögerte. Es hatte vor kurzem tatsächlich stark geregnet. Selbst auf Mallorca waren einige Straßen unpassierbar gewesen.
“Wir kommen gerade aus dieser Richtung”, fuhr er fort, offensichtlich amüsiert darüber, dass sie seinen Worten misstraute. “Es ist sehr gefährlich, und ich lasse Sie dort nicht hinauf.”
“Ich spreche Ihre Sprache ganz gut”, sagte sie auf Spanisch. “Fast so gut, wie Sie Englisch sprechen. Im Übrigen brauchen Sie mich nicht zu beschützen.”
“Nun gut”, erwiderte er, ebenfalls auf Spanisch. “Dann werden wir eben Ihrer sprachlichen Eitelkeit schmeicheln, statt meiner.”
Die Frau hatte bisher geschwiegen und nur mit unbewegter Miene abwechselnd Petra und den Mann beobachtet. Nun sagte sie ungeduldig: “Lass uns gehen, Tomás.” Petra dachte an den Champagner – zweifellos gab es noch andere Freuden, die an Bord der ‘Epoca’ warteten.
“Aber ich bin neugierig”, entgegnete er und ließ Petra nicht aus den Augen. “Neugierig auf diese Petra Castle, die allein nach Cala Vibora segelt, um Vögel zu beobachten, und die genau weiß, was sie riskiert. Außerdem haben wir uns noch nicht miteinander bekannt gemacht. Miss Castle, darf ich Sie meiner Begleiterin vorstellen? Cristina Colom. Cristina, dies ist Petra Castle. Und mein Name ist Tomás Torres.”
Er reichte Petra die Hand, und ihr blieb nichts anderes übrig, als auch ihm die Hand zu geben, die er mit einer leichten Verbeugung an die Lippen führte und küsste.
Petra fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, und in diesem Augenblick brach Cristina Colom in helles Gelächter aus. Ihr Lachen klang echt, nicht gezwungen. Und mit einem fast körperlichen Schmerz wurde es Petra bewusst, wie lächerlich sie wirken musste – eine zerzauste junge Frau in Jeans und Pullover, die wie hypnotisiert diesen außergewöhnlichen Mann anstarrte, der ihr im Scherz einen Handkuss gab. Sie entzog ihm abrupt die Hand. Petra hasste es, sich zum Gespött anderer Leute zu machen. “Was finden Sie denn so lustig?” fragte sie kühl.
“Ihren Gesichtsausdruck”, entgegnete die Frau. “Sie sind es offensichtlich nicht gewohnt, dass man Ihnen die Hand küsst.”
Wenn Tomás Torres ebenfalls amüsiert war, verstand er es gut zu verbergen. “Ich habe eben merkwürdig altmodische Manieren”, sagte er leichthin. Als hätte er Petras Gefühle erraten, fügte er sanft hinzu: “Ich wollte Sie nicht verletzen.”
“Ich fühle mich nicht im Geringsten verletzt”, erwiderte Petra steif.
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