Zauber der Sonneninsel
klar, dass sie nicht für den Rest ihres Lebens bei Gomila & Rodriguez arbeiten mochte. Sie schätzte ihre Arbeitgeber sehr, und die Arbeit war interessant, aber sie erwartete mehr vom Leben. Sie wusste, dass sie mit ihren Fähigkeiten überall etwas erreichen konnte.
Sobald sie sich in ihrer neuen Wohnung in der Altstadt von Palma eingerichtet hatte, bewarb sie sich bei Eurotrans.
Schon einige Tage später bekam sie eine Einladung in das große Büro an der Paseo de Sagrera. Die Tatsache, dass der zuständige Manager wegen ihres Vorstellungsgespräches extra von Barcelona nach Mallorca geflogen war, bestätigte ihr, wie wichtig die internationale Übersetzungsfirma ihre Bewerbung nahm.
Der Manager war sehr interessiert an Petras Mitarbeit. Ihre hervorragenden Fremdsprachenkenntnisse waren ausschlaggebend. Er fragte, ob sie bereit wäre, zu reisen und im Ausland zu arbeiten. Petra antwortete einfach: “Natürlich”, und er bot ihr auf der Stelle einen guten Vertrag an.
Später saß sie vor dem Café “Lonja” in der Sonne und dachte über ihr Leben nach. Erst ein Monat war seit den Ereignissen in der Ramon-Lull-Halle vergangen. In dieser Zeit hatte sie einen Geliebten verloren, ihr Elternhaus verlassen, ihre eigene Wohnung eingerichtet und eine neue Arbeitsstelle gefunden. Nun musste sie nur ihr Glück wiederfinden.
Am Nachmittag kündigte sie ihre alte Stellung. Señor Gomila war traurig, aber nicht sonderlich erstaunt über ihre Entscheidung.
“Ich werde Sie vermissen”, sagte er betrübt. “Etwas ist mit Ihnen geschehen, Petra. Plötzlich sind Sie eine Frau mit traurigen Augen, die ein wenig zu selten lächelt. Vergessen Sie die Kündigungsfrist.” Er nickte ihr zu. “Doña Elisabetta wird ab Montag Ihre Arbeit übernehmen. Ihr Gehalt bekommen Sie natürlich weiter.” Mit einer Handbewegung wischte er ihre Proteste beiseite und fuhr fort: “Sie haben hart für uns gearbeitet, vielleicht zu hart. Und dieses verstaubte, kleine Büro ist kein Platz für eine schöne junge Frau mit Ihren Fähigkeiten.” Er streckte ihr mit einem herzlichen Lächeln die Hand entgegen. “Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute, Petra.”
9. KAPITEL
P etra wusste es Anfang Juni, als sie gerade in Paris war. Das Kongresszentrum hatte eine Klimaanlage, und der Raum, in dem die Simultandolmetscher arbeiteten, war kühl und dämmrig. Den ganzen Tag lang saß sie vor dem Mikrophon und übersetzte endlose Reden vom Spanischen ins Französische oder umgekehrt.
An diesem herrlichen Sommernachmittag saß Petra auf einer Bank an der Seine und starrte ins Wasser. Viele junge Männer warfen ihr bewundernde Blicke zu. Sie war aufgeblüht, und nicht einmal zwei Wochen ständiges Dolmetschen für eine Ingenieurkonferenz hatten ihr strahlendes Aussehen beeinträchtigen können.
Gleich nach ihrer Ankunft in Paris hatte sie sich das Haar abschneiden lassen. Nach der neuesten Mode geschnitten, umrahmte es nun weich ihr schmales Gesicht und betonte ihren schlanken Hals.
Ihr waren beinahe die Tränen gekommen, als die dicken, glänzenden Locken zu Boden fielen. Ihr war, als verlöre sie damit den letzten Rest ihrer Unschuld.
Petra freute sich, dass sie sich so wundervoll fühlte, zumindest körperlich. Nur die tägliche Übelkeit war unangenehm, und die ersten Tage der Konferenz waren schrecklich für sie gewesen. Zum Glück wurde ihr immer schlecht, bevor sie das Hotel verließ.
Sie brauchte keinen Arzt, der ihr ihren Zustand bestätigte. Ihr war klar, was die morgendliche Übelkeit bedeutete. Geahnt hatte sie es schon, als sie auf der ‘Epoca’ mit Tomás schlief. Damals wusste sie irgendwie, dass es passieren würde, und doch hatte sie ihm vorgelogen, dass sie Vorkehrungen gegen eine Schwangerschaft getroffen hatte.
Warum? Diese Frage hatte sie sich schon so oft gestellt. Sie war dumm gewesen, unerfahren, romantisch und sehr verliebt. Aber vielleicht hatte sie auch einfach sein Baby gewollt. Vielleicht war das die ehrlichste Antwort.
Doch nun musste sie sich mit der Frage auseinandersetzen, was sie tun sollte. Dabei spielten auch die Menschen eine Rolle, die ihr nahestanden.
Ihre Eltern hatten trotz ihres unkonventionellen Lebensstils im Grunde sehr altmodische Ansichten, und es traf sie sicher hart, wenn ihre Tochter ein uneheliches Kind bekam.
James und Helen würden auch nicht gerade begeistert sein, wenn auch aus anderen Gründen. Sie liebten sie sehr und betrachteten diese Schwangerschaft bestimmt als eine Katastrophe
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