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Zauber der Vergangenheit

Zauber der Vergangenheit

Titel: Zauber der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Goldbach
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sich in den Ästen. Ich tippte auf einen Vogel. Ich sah nach oben und suchte das Geäst ab. In diesem Moment knackte es in den Zweigen und ein dunkler Schatten sauste auf mich herunter. Anstatt ihm auszuweichen, blieb ich vor Schreck wie angewurzelt sitzen. Das Tier landete genau auf meinem Schoß. Es war ein Eichhörnchen. Panisch versuchte ich aufzustehen und es abzuschütteln. Doch ich erreichte damit genau das Gegenteil. Es kletterte an mir hinauf bis auf meine Schulter, wobei es mir mit seinen scharfen Krallen den Arm aufkratzte, und verschwand dann mit einem großen Satz durch den Zaun auf das Uni-Gelände. Dort saß es auf dem üppigen, grünen Rasen und beobachtete mich. Mein Herz klopfte schnell. Ich wich instinktiv noch einige Schritte zurück und prallte prompt mit dem Rücken gegen etwas Weiches. Zwei große Hände packten mich an den Schultern und verhinderten so, dass ich hinfiel.
    »Sachte, sachte«, hörte ich eine vertraute Stimme. Erschrocken drehte ich mich um.
    Vor mir stand der Herzog. Der hatte mir jetzt gerade noch gefehlt. Nach unserer Begegnung gestern Abend hatte ich nun wirklich keine gesteigerte Lust, mich mit ihm zu unterhalten. Schnell befreite ich mich aus seinem Griff.
    »Oh, Miss Violet. Welch Freude, Sie wiederzusehen«, sagte er überrascht und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd.
    Ich starrte nur zurück. Er sah mich irritiert an.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er sah besorgt aus. Ich starrte weiter in seine blauen Augen. Ich musste ultradämlich auf ihn wirken.
    »Was denn, hat es Ihnen die Sprache verschlagen?« Er lächelte amüsiert. In seinen Augen spiegelte sich das Sonnenlicht und ließ dabei kleine Lichtreflexe auf seiner Iris wie goldene Sprenkel tanzen. Er machte sich schon wieder über mich lustig. Ich musste jetzt einfach nur etwas Cleveres antworten. Doch dieser Gedanke kam nicht so schnell in meinem Gehirn an, wie die Worte aus meinem Mund heraussprudelten.
    »Ein Eichhörnchen hat mich angegriffen«, sagte ich stattdessen, wobei ich längst nicht so souverän klang, wie ich es vorgehabt hatte. Im selben Augenblick hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Ich musste auf ihn den Eindruck machen, als sei ich nicht ganz dicht. Ein Eichhörnchen hat mich angegriffen. Das klang wie: Mein Hund hat die Hausaufgaben gefressen . Zu meiner Verwunderung fiel seine Reaktion jedoch anders aus.
    »Ja, die Biester gibt es hier wirklich zu Hauf«, sagte er. »Hat es Sie verletzt?«
    »Es ist nur ein Kratzer.« Ich zeigte ihm meinen Arm.
    »Sie sollten das trotzdem desinfizieren. Man weiß nie, wo sich dieses Tier schon herumgetrieben hat.« Ich sah ihn ein wenig verwundert an. Angesichts der hygienischen Zustände zu dieser Zeit hatte ich nicht erwartet, dass überhaupt schon jemand das Prinzip des Desinfizierens kannte. Ich beobachtete, wie er in seine Tasche griff und eine kleine durchsichtige Flasche hervorholte, die mit einer bräunlich-gelben Flüssigkeit gefüllt war. Dann nahm er sich das Einstecktuch aus seiner Westentasche und tränkte es damit.
    »Das könnte jetzt ein bisschen brennen«, sagte er und rieb meine Wunde mit der Tinktur ein. Er behielt Recht. Es brannte wie Feuer.
    »Was ist das überhaupt für ein Mittel?«, fragte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
    »Jodtinktur«, antwortete er, zufrieden mit dem Ergebnis. »Sie hat eine desinfizierende Wirkung. Das Brennen wird gleich nachlassen.« Wieder behielt er Recht.
    »Verraten Sie mir, welch glücklichem Umstand ich diese erneute Begegnung mit Ihnen verdanke?«, fragte er beiläufig, während er meine Wunde noch einmal abschließend begutachtete.
    »Ich warte hier auf meinen Fr… äh … Cousin«, antwortete ich. Ich hatte grade noch die Kurve gekriegt.
    »Wirklich? Was studiert er denn?«, fragte er neugierig.
    »Geschichte«, antwortete ich wahrheitsgemäß und so überzeugend wie möglich.
    »Ah, ein wirklich interessantes Fach, aber leider auch staubtrocken«, stellte er fest.
    »Und Sie?«, fragte ich interessiert.
    »Ich studiere hier Jura«, antwortete er. In seiner Stimme war so etwas wie Stolz zu hören.
    »Ist das denn nicht mindestens genauso trocken?«
    »Ja, fast.« Er lachte und die Sonne zauberte erneut Lichtreflexe in seine Augen.
    »Hören Sie, Miss Violet …«, sagte er zögerlich. »Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh, dass ich Sie noch einmal treffe. Es gibt da nämlich etwas, das mir seit gestern Abend keine Ruhe lässt. Ich

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