Zauber der Vergangenheit
Bear‹ Karten gespielt.«
»Du hast Karten gespielt?«, wiederholte ich ungläubig.
»Ja, und ich hab auch ein bisschen was gewonnen. Die Nacht war ja schließlich lang genug.«
»Zu lang, wenn du mich fragst. Gott sei Dank ist Rose so eine gute Seele. Aber ich glaube, sie hat uns die Bruder-Schwester-Nummer nicht wirklich abgekauft.«
»Ist doch egal. Hauptsache, du hattest einen sicheren Platz zum Schlafen«, sagte Drew kauend.
»Wirklich gut hab ich da aber nicht geschlafen. Ich hab mir die ganze Zeit Sorgen um dich gemacht.«
»Tatsächlich?« Er schien überrascht.
»Ja, natürlich. Ich wusste doch nicht, wo du warst. Dir hätte ja auch was passieren können.«
Er sah mich an, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass es den Weihnachtsmann in Wirklichkeit gar nicht gab. Es dauerte eine Weile, bis er die Sprache wiederfand.
»Danke, das ist wirklich süß von dir«, sagte er. Seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten in der Sonne. Ich erwischte mich dabei, wie ich daran dachte, dass er doch eigentlich auch ganz süß war. Energisch versuchte ich den Gedanken wieder zu vertreiben. Für Schwärmereien hatte ich jetzt wirklich keine Zeit und ich war keine dreizehn mehr. Ich war fast erwachsen und da verlor man sich nicht in irgendwelchen Spinnereien. Und außerdem war es Drew, von dem ich hier sprach.
»Ich, äh … geh mich mal anziehen«, sagte ich und stand auf.
Während ich in meine Klamotten schlüpfte, machte sich Drew wieder daran, den Esel vor den Karren zu spannen.
»Hast du alles?«, fragte er, als ich auf den Karren kletterte. Ich sah an mir herunter.
»Ja, ich denke schon.«
»Gut, dann lass uns weiterfahren. Wir sollten irgendwo einen Platz zum Übernachten finden, bevor es dunkel wird.«
»Und was, wenn nicht?«
»Dann müssen wir notgedrungen im Freien schlafen. Aber das würde ich ehrlich gesagt gerne vermeiden.«
»Gibt es hier wilde Tiere?« Ich dachte an Bären und Wölfe.
»Die sind weniger das Problem. Ich hatte eher daran gedacht, dass man uns überfallen könnte.«
»Aber bei uns gibt's doch nichts zu holen.«
» Ich weiß das, aber die wissen es nicht.« Da hatte er wohl Recht. Schließlich setzte er sich neben mich und schnalzte einmal mit der Zunge. Der Esel setzte sich in Bewegung. Wieder auf der Straße, kamen all die Gedanken zurück, die ich verdrängt hatte. Ich fragte mich, ob wir je wieder nach Hause zurückkommen würden. Der Ring an meinem Finger verhielt sich ruhig. Seit der Sache mit Lilian am Vortag hatte er mich weder gezwickt, noch geleuchtet, noch irgendeine Botschaft angezeigt. Ich verstand nicht so richtig, wie er funktionierte. Ich hatte schon ein paarmal daran gedreht, in der Hoffnung, dass ein Wunder geschehen und wir einfach in unsere Zeit zurückkatapultiert werden würden. Doch so einfach schien es nicht zu sein. Ich versuchte mich daran zu erinnern, ob ich bei meinem Sprung in die Vergangenheit irgendetwas Bestimmtes getan hatte, doch mir fiel nichts ein, was von Bedeutung gewesen sein könnte. Ich hatte auch schon versucht den Ring dazu zu bewegen unsere Jahreszahl anzuzeigen, doch auch das hatte nicht geklappt. Während ich gedankenversunken die Landschaft beobachtete, die gemächlich an uns vorbeiratterte, brannte die Sonne vom Himmel auf uns herab. Erst als die Dämmerung einsetzte, entdeckte ich in der Ferne die Umrisse eines Gebäudes.
»Drew, da vorne ist ein Haus«, ich zeigte mit dem Finger darauf.
»Wenn wir Glück haben, ist es eine Gastwirtschaft«, sagte er.
Wir hatten Glück. Es handelte sich um ein Gasthaus für Reisende. Drew stellte den Karren im Schatten des Hauses ab und half mir herunter. Mein Hintern tat mir vom langen Sitzen furchtbar weh. Nachdem wir den Esel versorgt hatten, gingen wir um das Haus herum zur Vordertreppe. Über der Eingangstür hing ein kleines, grünes Schild, auf dem in goldenen Lettern – na ja, zumindest waren sie einmal golden gewesen, jetzt war es eher ein schmutziges Graubraun – der Name der Wirtschaft stand: Big Molly. Drew schob mich mit sanftem Druck zur Tür hinein. Obwohl draußen nur wenige Kutschen standen, war es drinnen zum Bersten voll. Drew bugsierte mich an den vielen kleinen Tischen vorbei bis zum Tresen, wo eine untersetzte Frau gerade damit beschäftigt war, Bier in riesige Gläser abzufüllen.
»Was darf es für euch sein?«, fragte sie schwungvoll, als sie Drew und mich entdeckte.
»Meine Begleiterin und ich suchen ein Quartier für die Nacht. Haben Sie noch ein Zimmer
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