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Zauber der Vergangenheit

Zauber der Vergangenheit

Titel: Zauber der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Goldbach
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zusammenfiel.
    »Violet, alles in Ordnung?«, hörte ich Anthonys besorgte Stimme.
    »Da war eine Ratte«, sagte ich völlig perplex. Auch wenn ich ihn nicht sehen konnte, wusste ich genau, dass Anthony mit den Augen rollte.
    »Komm, ich helf dir auf«, sagte er. Ich suchte nach seiner Hand. Mit einem Ruck zog er mich auf die Füße. Ich hörte ein Ratschen. Mein Kleid war irgendwo hängen geblieben und gerissen. Na toll … Auch das noch.
    »Bleib hier stehen. Ich geh zur Tür und öffne sie. Dann siehst du wenigstens, wo du hingehst«, befahl er. Das war ihm ja früh eingefallen. Einige Sekunden später hörte ich, wie Anthony die Tür aufbrach und sie sich quietschend öffnete. Ein kleiner, reichlich schwacher Lichtschein drang in den Raum. Aber wenigstens konnte ich meine Umgebung nun schemenhaft erkennen. Das Ding, gegen das ich gelaufen war, war ein altes Kutschrad. Was auch immer das hier zu suchen hatte. Ich bahnte mir einen Weg bis zur Tür und war froh, diesem Labyrinth aus Schrott zu entfliehen.
    »Wofür braucht mein Großvater diesen ganzen Kram eigentlich?«, fragte ich leicht verärgert.
    »Na ja, er ist eben ein leidenschaftlicher Bastler. Er hat schon früher für alles Verwendung gefunden«, antwortete Anthony.
    »Er hätte wenigstens elektrisches Licht einbauen können.«
    »Bevor es erfunden wurde?« Anthony sah mich wieder mit diesem vorwurfsvollen Blick an.
    »Er hätte es ja keinem zeigen müssen«, entgegnete ich.
    Die Stufen zum ersten Stock waren dick mit Staub bedeckt. Anthony wollte gerade hinaufgehen, als mir etwas auffiel.
    »Warte mal!«, sagte ich und hielt ihn am Ärmel zurück.
    »Was ist denn?«, fragte er verwundert.
    »Du hast doch gerade gesagt, mein Großvater sei ein leidenschaftlicher Bastler.«
    »Ja, und?«
    »Na, ich nehme doch mal an, dass er das nicht oben im Haus, sondern im Keller tut, wo ihn keiner beobachten oder stören kann.«
    »Davon gehe ich mal aus«, sagte Anthony.
    »Das würde dann aber bedeuten, dass er schon ziemlich lange nicht mehr hier war.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte er.
    »Auf den Stufen liegt zentimeterhoch Staub, aber es sind keine Fußabdrücke zu sehen.«
    »Du hast Recht«, sagte er. Ich konnte mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. »Hast du mal über eine Karriere bei Scotland Yard nachgedacht?«, witzelte er.
    »Vielleicht, wenn ich es jemals wieder zurück nach Hause schaffe«, gab ich zurück.
    Am oberen Ende der Treppe angekommen, standen wir auf Höhe der Haustür. Auch hier war der Boden mit Staub bedeckt, genau wie alle Möbel.
    »Das Haus scheint schon länger verlassen zu sein. Glaubst du, er wohnt hier überhaupt noch?« Wirklich vorstellen konnte ich es mir nicht.
    »Ja, da bin ich mir sicher«, antwortete Anthony, während er sich umsah. »Er würde niemals seine geliebten Erinnerungsstücke zurücklassen.« Er deutete auf die halb geöffnete Schublade einer Anrichte. Zielstrebig ging er darauf zu und entnahm ihr eine handliche, lederne Mappe, die wie alles andere hier dick mit Staub bedeckt war. Hastig wischte er sie mit dem Ärmel ab und drückte sie mir dann in die Hand. Als ich sie aufklappte, fielen mir ein paar Fotos entgegen. Eines davon zeigte meine Mutter und mich, wie wir im Garten meines Großvaters auf einer Picknickdecke saßen. Das Foto war aufgenommen worden, als ich sechs Jahre alt gewesen war, also kurz vor seinem Verschwinden. Er hatte es aufgehoben. All die Jahre. Ich war so gerührt bei dem Gedanken daran, dass er uns nie vergessen hatte, dass ich mir eine Träne nicht verkneifen konnte.
    »Er hat oft von dir gesprochen und ist nie ohne seine Fotomappe gereist«, sagte Anthony. »Als Kind hab ich mir immer gewünscht, dich mal kennenzulernen. Er meinte, du wärest das herzigste kleine Mädchen, das er je gesehen hätte, und dass du ein wahrer Engel seiest.« Ich sah ihn verwundert an.
    »Na ja, also ein Engel war ich bestimmt nicht. Da brauchst du bloß mal meine Mutter zu fragen. Und meine Tante Batty. Die ist heute noch davon überzeugt, ich sei vom Teufel persönlich geschickt worden.« Ich schenkte ihm ein ironisches Lächeln und fragte mich, wie er wohl als kleiner Junge ausgesehen haben mochte. Plötzlich fiel mir etwas ein. Der Junge auf dem Foto in unserem Treppenhaus. Das musste Anthony sein. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Ich verglich das Bild in meinen Gedanken mit seinem Gesicht und kam zu dem Schluss, dass ich richtig lag.
    »Wie gut hast du meinen Großvater

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