Zauber der Wellen - Feehan, C: Zauber der Wellen - Oceans of Fire (3 - Abigail)
schlang zitternd ihre Arme um sich. Sie konnte sehen, dass Leute sie anschauten, doch sie wusste nicht, wo sie war. Die Frau, die sie anschrie, war ihr unverständlich. Verängstigt wandte sie sich an ihre Schwester. Elle? Was ist los mit mir?
»Sie glauben doch bestimmt nicht, der Sturz meines Sohnes sei ein Unfall gewesen.« Irenes Stimme erhob sich zu einem schrillen Kreischen. »Weshalb sollte Drew draußen auf den Klippen herumklettern? Wenn Sie ein bisschen Mitgefühl mit ihm gehabt hätten, nur ein klein wenig, Libby, dann wäre es nie dazu gekommen.«
Libby schüttelte den Kopf und hatte sofort das Gefühl, dass sich kleine Nadeln in ihren Schädel bohrten. Sie schrie auf, presste die Handflächen auf ihre Schläfen und sah sich panisch nach einem Fluchtweg um.
»Sie haben ihn nie geheilt. Der Krebs war da und hat ihn bei lebendigem Leibe aufgefressen, und ich konnte einfach nicht mit ansehen, dass er stirbt. Etwas musste ich doch unternehmen.
Sie haben mir gar keine andere Wahl gelassen. Sie haben sich geweigert, ihn zu heilen, und die Testreihe mit dem Medikament war die einzige Möglichkeit, die mir noch geblieben ist. Sie haben mir gesagt, das Medikament könnte Depressionen auslösen. Einen Selbstmord haben Sie nie auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt.« Irenes Tonfall wurde immer schriller. »Sie hätten ihn heilen können. Warum haben Sie es nicht getan?«
Elle kam zur Tür hereingestürzt und rannte in dem Moment durch den Korridor, als Irene mit ihrer Handtasche auf Libby losging. Sie schlug nicht nur einmal, sondern mehrfach zu und trieb ihre Schwester immer weiter zurück. Libby hob einen Arm, um ihn zu ihrer Verteidigung vor sich zu halten, aber sie war zu schwach und ging zu Boden.
Schon während sie auf ihre Schwester zurannte, hob Elle die Arme und ihr Gesicht war eine Maske des Zorns. Wind wirbelte wie die Miniaturausgabe von einem Tornado vor ihr her durch den Korridor und traf Irene mit solcher Macht, dass die Rasende beinah vom Boden gehoben wurde.
Irene schrie und hielt sich die Arme vors Gesicht, als der Wind schneller und immer schneller um sie herumpeitschte und sie gefangen hielt. Ihr sorgsam frisiertes Haar stand senkrecht in die Höhe, und ihre Kleidungsstücke wanden sich um ihren Körper. Sogar ihre Ohrringe flogen von ihren Ohren und trafen fest genug auf die Trennwand, um sich in die Glasscheibe zu bohren.
»Elle.« Jackson Deveau brachte seine große, stämmige Gestalt zwischen die jüngste Drake-Schwester und Irene. »Schluss damit.« Seine Stimme war ganz leise und enthielt doch einen scharfen Befehlston. Der Wind schien sein markantes Gesicht zu peitschen und sein Haar in wüsten Aufruhr zu versetzen, doch er stand angesichts ihres Zorns felsenfest da.
Elles Augen funkelten vor Wut. »Sag ihr, dass sie aufhören soll. Sie hat meine Schwester angegriffen, und du hast in aller
Seelenruhe daneben gestanden. Verhafte sie wegen tätlichen Angriffs. Angeblich vertrittst du das Gesetz.«
Niemand ließ sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Deputy ein, noch nicht einmal jemand, der sinnlos betrunken war. Jackson war einfach zu gefährlich. Er war ein stiller Mensch und sprach sehr wenig, aber wenn er jemandem sagte, was er tun sollte, dann richteten sich die Leute danach. Seine Augen waren matt, leer und so kalt wie Eis. Narben zogen sich über sein Gesicht und seinen Hals und verschwanden unter seinem Hemd. Sein dunkles Haar war dicht und ungebärdig, und seine Züge wiesen den Schliff grausamer Zeiten auf. Neben Jackson nahm sich Elle klein und zerbrechlich aus, denn sie war alles in allem nur halb so viel wie der Deputy. Doch sie wich keinen Schritt vor ihm zurück. Jackson blieb ebenfalls stehen, selbst als der Wind an seinen Kleidungsstücken zu zerren begann.
Da zwängte sich Jonas an Elle vorbei und kniete neben Libby nieder. »Lass den Blödsinn, Elle«, mischte er sich schroff ein. Er war gemeinsam mit Jackson zur Tür hereingekommen und hatte gerade noch das Ende von Irenes Angriff auf Libby mitgekriegt. »Damit ist keinem geholfen. Libby wird dir Ärger machen, wenn sie wieder zu sich kommt.« Jetzt wandte er seinen aufgebrachten Blick Irene zu. »Libby ist schwer verletzt. Sie ist bewusstlos. Verdammt noch mal, Irene, was zum Teufel haben Sie angerichtet?«, fuhr er sie an. Um Libbys Mund und Nase herum war Blut.
Irene heulte hysterisch. »Ich weiß es nicht. Ich bin einfach nur ausgerastet. Habe ich sie umgebracht?« Sie kauerte immer noch an der Wand.
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