Zauber einer Winternacht
egal, wonach es aussieht.« Er stellte die Pfanne auf den Herd zurück. »Dieses Trockenzeug schmeckt grauenhaft, was?«
»Ein wahres Wort. Ich werde nicht widersprechen.«
»Ich versuche morgen, es in die Stadt zu schaffen.«
»Wenn du es schaffst, könntest du …« Plötzlich war es ihr peinlich, und sie verstummte.
»Was brauchst du?«
»Nichts. Nur eine dumme Idee. Hör mal, könnten wir uns eine Minute hinsetzen?«
Er ergriff ihre Hand, bevor sie zurückweichen konnte. »Was brauchst du aus der Stadt, Laura?«
»Marshmallows, um sie im Kamin zu rösten. Ich habe doch gesagt, es ist eine dumme Idee«, murmelte sie und versuchte, ihre Hand wegzuziehen.
Er sehnte sich danach, sie einfach in die Arme zu nehmen. Es war unglaublich, wie sehr er sich danach sehnte. »Sind das echte Gelüste, oder ist das nur so ein spontaner Einfall?«
»Keine Ahnung. Es ist nur, dass ich den Kamin sehe und automatisch an Marshmallows denken muss.« Weil er nicht über sie lachte, konnte sie unbeschwert lächeln. »Manchmal rieche ich sie förmlich.«
»Marshmallows. Willst du denn nichts dazu? Meerrettich zum Beispiel?«
Sie zog eine Grimasse. »Auch so ein albernes Gerücht.«
»Du bringst mich um sämtliche Vorurteile.« Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste sie. »Und du trägst das Hemd nicht mehr.«
Jetzt dachte er wieder an das Bild, nicht an sie. Er war wieder der Künstler, sie sein Modell. »Ich ziehe mich um.«
»Schön.« Die kurze Berührung hatte ihn erneut spüren lassen, wie sehr er sie begehrte, und er drehte sich abrupt zur Arbeitsplatte und seinem Kaffee um.
Die Entscheidung fiel Laura plötzlich leicht. Vielleicht war sie auch schon in dem Moment getroffen worden, als sie ihn für sie lügen hörte. »Gabriel, ich weiß, dass du jetzt malen willst, aber ich möchte … Ich finde, ich sollte … Ich will dir jetzt alles erzählen, falls du es überhaupt noch hören willst.«
Er drehte sich wieder um. Sein Blick war auffallend klar und intensiv. »Warum?«
»Weil es falsch wäre, dir nicht zu vertrauen. Und weil ich jemanden brauche. Wir beide brauchen jemanden.«
»Setz dich bitte«, sagte er schlicht und führte sie sanft zur Couch.
»Ich weiß nicht, womit ich beginnen soll.«
Wahrscheinlich ist es für sie einfacher, wenn sie ganz von vorn anfängt, überlegte er sich, während er Holz aufs Feuer legte. »Woher stammst du?«, fragte er, als er sich zu ihr auf die Couch setzte.
»Ich habe an vielen Orten gelebt. New York, Pennsylvania, Maryland. Meine Tante hatte eine kleine Farm im Osten. Bei ihr habe ich am längsten gelebt.«
»Und deine Eltern?«
»Meine Mutter war sehr jung, als ich geboren wurde. Unverheiratet. Sie … Ich habe dann bei meiner Tante gewohnt, bis … sie Probleme bekam, in finanzieller Hinsicht. Danach kamen Pflegeeltern. Aber das ist nicht so wichtig.«
»Nein?«
»Ich will nicht, dass du Mitleid für mich empfindest. Dazu erzähle ich dir das nicht.«
Ihr Stolz war offensichtlich. In der Art, wie sie den Kopf neigte, in ihrem Tonfall. Es war genau der ruhige Stolz, den er auf die Leinwand bannen wollte. Seine Finger juckten nach dem Zeichenblock, so sehr wie danach, ihr Gesicht zu berühren. »Also gut, kein Mitleid.«
Mit einem Nicken fuhr sie fort. »Nach dem, was ich später gehört habe, hat meine Mutter es nicht einfach gehabt. Sie war noch ein Kind. Möglicherweise wollte sie mich behalten, aber es klappte nicht. Meine Tante war älter, aber sie hatte eigene Kinder. Im Grunde genommen war ich nur ein weiteres Maul, das gestopft werden musste. Und als es zu kostspielig wurde, kam ich zu Pflegeeltern.«
»Wie alt warst du?«
»Sechs, beim ersten Mal. Irgendwie hat es nie richtig hingehauen. Bei den einen blieb ich ein Jahr, bei den nächsten zwei. Es war schrecklich, nie dazuzugehören, nie das zu haben, was für andere ganz selbstverständlich schien. Als ich ungefähr zwölf war, bin ich für kurze Zeit zu meiner Tante zurückgekehrt. Aber ihr Mann hatte seine eigenen Probleme, und ich blieb nicht lange.«
Irgendetwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen. »Was für Probleme?«
»Ist nicht mehr wichtig.« Sie schüttelte den Kopf und wollte aufstehen, aber Gabriel ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
»Du hast angefangen, Laura, jetzt bring es auch zu Ende.«
»Er hat getrunken«, sagte sie hastig. »Und dann wurde er immer gemein.«
»Gemein? Soll das heißen, er wurde gewalttätig?«
»Ja. Wenn er nüchtern war, war er unzufrieden und
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