Zauber einer Winternacht
nutzte die Unterbrechung, um Kraft zu sammeln. Ihre Geschichte war erst zur Hälfte erzählt, und der schlimmste, schmerzlichste Teil kam noch. Gabriel brachte ihr ein Glas Wasser mit Eis. Laura nahm zwei Schluck und fuhr fort.
»Wir flogen nach Paris. Ich kam mir vor wie Aschenputtel, und zwar ohne dass ich Angst vor Mitternacht zu haben brauchte. Wir wollten einen Monat dortbleiben, und weil Geoffrey seinen Fotos eine sehr französische Note geben wollte, klapperten wir ganz Paris ab. Eines Abends gingen wir auf eine Party. Es war eine dieser traumhaften Frühlingsnächte, in denen alle Frauen wunderschön und alle Männer attraktiv aussehen. Und da traf ich Tony.«
Ihm entging weder das leichte Zittern ihrer Stimme noch der leise Schatten in ihren Augen, und er wusste, dass sie jetzt über den Vater des Babys sprach.
»Er war so galant, so charmant. Ein Märchenprinz, wie geschaffen für Aschenputtel. In den folgenden zwei Wochen verbrachte ich jede freie Minute mit Tony. Wir gingen tanzen, wir aßen in kleinen Cafés und spazierten durch die Parks. Er war alles, wonach ich mich gesehnt hatte und von dem ich wusste, dass ich es nie bekommen würde. Er behandelte mich wie etwas Seltenes und Wertvolles, wie ein Diamanthalsband. Es gab eine Zeit, da glaubte ich, mich in ihn verliebt zu haben.«
Sie schwieg, schien zu brüten. Genau das war ihr Fehler gewesen, ihre Sünde, ihre Eitelkeit. Selbst jetzt, ein Jahr danach, nagte das in ihr.
»Geoffrey murrte, redete von reichen Playboys, die sich junge Dinger zum Zeitvertreib hielten, aber ich hörte nicht auf ihn. Ich wollte endlich einmal geliebt werden, wollte jemanden, der sich um mich kümmerte, dem ich etwas bedeutete. Als Tony um meine Hand anhielt, habe ich nicht lange überlegt.«
»Du hast ihn geheiratet?«
»Ja.« Sie sah ihn an. »Ich weiß, du musstest glauben, dass ich den Vater des Babys nicht geheiratet habe. Das schien mir die einfachste Erklärung zu sein.«
»Du trägst keinen Ring.«
Ihr Gesicht färbte sich rot. Vor Scham. »Ich habe ihn verkauft.«
»Ich verstehe.« In den beiden Worten schwang nichts von Verurteilung mit, aber sie empfand sie trotzdem.
»Wir verbrachten die Flitterwochen in Paris. Ich wollte in die Staaten fahren und seine Familie kennenlernen, aber er meinte, wir sollten dort bleiben, wo wir glücklich sind. Es klang vernünftig. Geoffrey war fuchsteufelswild, hielt mir Strafpredigten, schrie mich an, ich würde alles wegwerfen. Damals glaubte ich, er meinte meine Karriere, und ich ignorierte seine Warnung. Erst später ging mir auf, dass er mein Leben gemeint hatte.«
Sie zuckte zusammen, als im Kamin ein glühender Scheit vom Stapel rutschte. Doch dann stellte sie fest, dass das Erzählen ihr leichter fiel, wenn sie dabei ins Feuer starrte. »Ich glaubte, ich hätte alles gefunden, was ich je wollte. Wenn ich zurückdenke, kommen mir die Wochen in Paris wie ein Zauber vor, wie etwas, das nicht ganz wirklich ist, das man aber für wirklich hält, weil man nicht klug genug ist, um die Illusion dabei zu durchschauen. Dann war es an der Zeit, nach Hause zu fahren.«
Sie verschränkte die Hände und bewegte die Finger nervös hin und her. Diesmal griff er nicht nach ihnen, um sie zu beruhigen. »Am Abend vor unserer Abreise ging Tony weg. Angeblich, um irgendwelche Geschäfte zu erledigen. Ich wartete auf ihn und bemitleidete mich, weil mein frischgebackener Ehemann mich ausgerechnet am letzten Abend in Paris allein ließ. Dann, als es immer später wurde, verschwand das Selbstmitleid, und ich begann, mir Sorgen um ihn zu machen. Als er endlich zurückkam, war es bereits drei Uhr, und ich machte ihm Vorwürfe.«
Als sie schwieg, zog er die Decke von der Sofalehne und legte sie ihr über den Schoß. »Ihr habt euch gestritten.«
»Ja. Er war sehr betrunken und aggressiv. So hatte ich ihn noch nie erlebt, aber es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich ihn so sah. Ich fragte ihn, wo er gewesen sei, und er sagte … Nun, er ließ mich wissen, dass es mich nichts anging. Wir schrien uns an, und er erklärte mir, dass er mit einer anderen Frau zusammen gewesen wäre. Erst dachte ich, er behauptete das nur, um mich zu verletzen, doch dann sah ich ihm an, dass es stimmte. Ich fing an zu weinen.«
Das war das Schlimmste, dachte sie. Wie sie buchstäblich zusammengebrochen war und geweint hatte. »Das machte ihn nur noch wütender. Er warf Dinge durch die Suite, wie ein trotziger kleiner Junge. Er sagte alles Mögliche, aber
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