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Zauber einer Winternacht

Zauber einer Winternacht

Titel: Zauber einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nörglerisch. Betrunken war er … konnte er bösartig sein.« Sie rieb sich die Schulter, als ob sich dort eine alte Wunde befände. »Normalerweise war meine Tante sein Opfer, aber oft ließ er es auch an den Kindern aus.«
    »Hat er dich geschlagen?«
    »Nur wenn ich ihm nicht schnell genug aus dem Weg ging.« Ihr gelang ein zaghaftes Lächeln. »Und ich habe gelernt, schnell zu sein. Es klingt schlimmer, als es in Wirklichkeit war.«
    Das bezweifelte er stark. »Erzähl weiter.«
    »Das Jugendamt hat mich wieder weggeholt und bei neuen Pflegeeltern abgeliefert. Es war, als ob ich irgendwo geparkt würde. Ich weiß noch, wie ich sechzehn war und die Tage bis zu meiner Volljährigkeit zählte. Ich konnte es nicht abwarten, für mich selbst zu sorgen, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Dann war es endlich so weit. Ich zog nach Pennsylvania und suchte mir einen Job. Ich arbeitete als Verkäuferin in einem Kaufhaus in Philadelphia. Da war eine Kundin, die regelmäßig bei mir einkaufte. Wir freundeten uns etwas an, und eines Tages brachte sie einen Mann mit. Er war klein und fast kahlköpfig – wie eine Bulldogge. Er sah mich an, nickte der Frau zu und sagte, sie habe recht gehabt. Dann gab er mir eine Visitenkarte und bat mich, am nächsten Tag in sein Studio zu kommen. Natürlich hatte ich nicht vor, hinzugehen. Ich dachte … Nun ja, ich hatte so meine Erfahrungen mit Männern …«
    »Das glaube ich«, sagte Gabriel trocken.
    Es war ihr noch immer unangenehm, und da er nicht nachfragte, vertiefte sie das Thema auch nicht. »Jedenfalls legte ich die Karte beiseite und hätte die ganze Sache vermutlich vergessen, wenn nicht eine junge Kollegin mir ganz begeistert erzählt hätte, wer der Mann war. Vielleicht kennst du den Namen. Geoffrey Wright.«
    Gabriel zog eine Augenbraue hoch. Wright war einer der renommiertesten Modefotografen der gesamten Branche. Nein, der renommierteste. Gabriel kannte sich in der Modebranche nicht aus, aber der Name Geoffrey Wright war über sie hinaus bekannt. »Kommt mir bekannt vor.«
    »Als ich erfuhr, dass er ein Profi ist, ein angesehener Fotograf, da beschloss ich, es einfach zu wagen. Kaum war ich in seinem Studio, ging alles auch schon ganz schnell. Er war ziemlich kurz angebunden, und bevor ich etwas sagen konnte, stand ich schon perfekt geschminkt im Scheinwerferlicht. Ich kam mir so deplatziert vor, doch er schien es nicht zu merken. Er brüllte mir seine Anweisungen zu, wie ich stehen, sitzen, mich bücken und drehen sollte. Dann holte er ein Zobelfell heraus, einen fast bis zum Boden reichenden Zobelmantel. Den legte er mir um die Schultern. Ich dachte, ich träume. Vermutlich habe ich es laut gesagt, denn er lachte, während er die Fotos schoss, und versprach mir, dass ich in einem Jahr schon zum Frühstück Zobel tragen würde.«
    Gabriel lehnte sich wortlos zurück. Er konnte sie sich in Pelze eingehüllt vorstellen. Es war wie ein Tritt in die Magengrube, als er sich ausmalte, wie sie eine von Wrights jungen und nach Gebrauch ausgemusterten Gespielinnen wurde.
    »Binnen eines Monats hatte ich eine Fotoserie für ›Mode‹ gemacht. Dann kam eine für ›Her‹, dann eine für ›Charm‹. Es war unglaublich. Den einen Tag verkaufte ich Stoffe im Kaufhaus, am nächsten aß ich mit Modeschöpfern zu Abend.«
    »Und Wright?«
    »Noch nie in meinem Leben war jemand so gut zu mir gewesen wie Geoffrey. Sicher, ich weiß, dass ich für ihn mindestens die halbe Zeit nicht mehr als eine – Ware gewesen bin, aber irgendwie war er für mich auch, ich weiß nicht, wie ein Wachhund. Er erzählte immer von seinen Plänen für mich. Ich sollte nicht zu schnell in zu vielen Hochglanzmagazinen erscheinen. Und dann, nach zwei Jahren, wäre mein Gesicht in der gesamten westlichen Welt bekannt. Es klang alles so aufregend. Den größten Teil meines Lebens war ich im Grunde anonym. Und das gefiel ihm. Dass ich aus dem Nichts, aus dem Nirgendwo gekommen war. Ich weiß, dass einige seiner Models ihn für kalt und gefühllos hielten. Oft war er das auch. Aber er kam dem am nächsten, was ich mir immer unter einem Vater vorgestellt hatte.«
    »Hast du ihn so gesehen?«
    »Ich glaube schon. Und dann, nach all dem, was er für mich getan hatte, nach all der Zeit, die er in mich investiert hatte, ließ ich ihn im Stich.« Sie wollte aufstehen, aber Gabriel hinderte sie erneut daran.
    »Wohin willst du?«
    »Ich möchte einen Schluck Wasser.«
    »Bleib sitzen. Ich hole ihn dir.«
    Laura

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