Zauber einer Winternacht
Knollen zu setzen, Taglilien, Klatschmohn und Krokusse. Dann, im Winter, wollte sie ihre eigenen Frühjahrsblumen aussäen und in kleinen Tontöpfen aufziehen. Wozu gab es schließlich den Wintergarten an der Ostseite des Hauses?
»Nächstes Jahr zeige ich dir, wie man sie pflanzt«, versprach sie Michael. Sie malte sich bereits aus, wie er auf seinen kurzen Beinchen durch den Garten tobte, auf die Erde klopfte und nach Schmetterlingen schnappte.
Dann würde er lachen. Es würde vieles geben, über das er lachen könnte. Und sie würde ihn hochnehmen und durch die Luft wirbeln können, bis seine Augen, die noch immer so blau waren wie ihre, leuchteten und sein freudiges Lachen die Luft erfüllte. Dann würde Gabriel den Kopf durchs Atelierfenster stecken und fragen, was es zu lachen gab.
»Ich liebe deinen Daddy«, erklärte sie Michael. Das tat sie mindestens einmal am Tag. »Ich liebe ihn so sehr, dass es mich an Happy Ends glauben lässt.«
Als der Schatten auf sie fiel, sah Laura auf. Die ersten dunklen Wolken schoben sich vor die Sonne. Sie war versucht, sie zu ignorieren. Und das hätte sie auch getan, wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass es länger dauern würde, die Gartengeräte, Michaels Sachen und das Baby selbst zusammenzusammeln.
»Nun, wenigstens freuen die Blumen sich über den Regen, was?« Sie verstaute die Geräte, den Torf und den Dünger in dem kleinen Schuppen neben dem Hintereingang und holte anschließend Michael. Mit der Routine einer geschulten Mutter trug sie das Baby, die kleine Kiste mit Spielzeugen und die zusammengeklappte Schaukel ins Haus.
Kaum hatte sie den Fuß auf die erste Stufe nach oben gesetzt, da ließ der erste Donnerschlag sie und Michael auch schon zusammenzucken. Als er zu wimmern begann, unterdrückte sie ihre eigene Angst vor dem Gewitter und tröstete ihn.
Er beruhigte sich schneller wieder als sie, während sie ihn durchs Haus trug und besänftigend auf ihn einsprach. Obwohl der Regen noch auf sich warten ließ, konnte sie durch Michaels Fenster erkennen, was für ein Unwetter sich am Himmel zusammenbraute. Blitze zuckten auf und ließen das Grau malvenfarben erscheinen.
Schließlich begann Michael zu dösen, aber sie behielt ihn auf dem Arm. Irgendwie gab er ihr denselben Halt, den sie ihm gab.
»Dumm, was?«, murmelte sie. »Eine erwachsene Frau fürchtet sich mehr vor einem Gewitter als ein winziges Baby.« Als der Regen gegen das Haus zu prasseln begann, legte sie ihn in sein Bettchen, um die Fenster schließen zu können.
Ihr fielen Gabriels Bilder ein, und sie eilte als Erstes ins Atelier. Sie war froh, dass das Gewitter die Stromversorgung nicht unterbrochen hatte. Das Licht flackerte auf, als sie den Schalter betätigte. Vor den Fenstern war der Fußboden feucht, aber dort standen glücklicherweise keine Bilder.
Sie wollte schon einen Wischlappen holen, da ging ihr auf, dass sie zum ersten Mal vollkommen allein in Gabriels Allerheiligstem war. Er hatte ihr den Zutritt nie verboten, aber gerade weil sie selbst in ihrem Leben so wenig davon gehabt hatte, respektierte sie die Privatsphäre anderer.
Der Raum duftete nach ihm. Es war jene Kombination aus Farbe und Terpentin und einem Hauch Kreide, die häufig an seiner Kleidung und seinen Händen haftete. Ein Duft, der sie immer wieder beruhigte, der sie aber auch erregte.
Sie ging zur Staffelei hinüber, um nachzusehen, woran er gerade malte. Es war ein Bild von Michael. Oberhalb der Leinwand war eine grobe Skizze befestigt, und das Porträt nahm gerade erst Gestalt an. Die Skizze war vielleicht eine Woche alt. Mit einem prüfenden Blick stellte Laura fest, dass Michael in der kurzen Zeit bereits sichtlich gewachsen war. Aber es war schön zu wissen, dass dieser eine Moment in seinem so jungen Leben für immer festgehalten worden war.
Sie drehte sich um und musterte den Raum. Ohne Gabriel hatte er nicht dieselbe Wirkung. Weniger – dramatisch, dachte sie. Dann musste sie lachen, denn ihr war klar, wie sehr ihm diese Beschreibung missfallen würde.
Warum hatte sie ihn eigentlich noch nicht nach einem Bild für Michaels Zimmer gefragt? Die Poster, die sie ausgesucht hatte, waren farbenfroh, aber eins von Gabriels Bildern hätte eine größere Bedeutung. Das war es, was sie im Hinterkopf hatte, als sie sich bückte und die Leinwände durchging.
Mit welcher Leichtigkeit er dem Betrachter Gefühle entlockte. Eine in Pastelltönen gehaltene Landschaft ließ einen träumen. Eine hart gezeichnete,
Weitere Kostenlose Bücher