Zauber einer Winternacht
Drink ins Gesicht gekippt hätte. Die schützende Hülle, die sie um sich und Michael gelegt hatte, bekam den ersten Riss.
»Nein. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …«
»Ein faszinierender Mann. Das habe ich immer gedacht. Sicher, jung und etwas wild, aber faszinierend. Wie tragisch, dass er sterben musste, ohne sein Kind zu sehen.« Sie leerte ihr Glas bis auf einen winzigen Rest, der schäumend vor sich hin prickelte.
»Michael ist Gabriels Kind«, erwiderte Laura ruhig.
»So hat man mir gesagt.« Sie lächelte erneut. »Kurz vor und nach Tonys Tod gab es die wildesten Gerüchte. Angeblich war er drauf und dran, sich von Ihnen scheiden zu lassen, und er hatte Sie bereits aus dem Stammsitz der Familie entfernt, weil Sie, nun, indiskret waren.« Mit einem Schulterzucken stellte Marion ihr Glas ab. »Aber das ist ja jetzt alles Vergangenheit. Sagen Sie, wie geht es eigentlich den Eagletons? Es ist ewig her, dass ich mit Lorraine gesprochen habe.«
Wenn es ihr nicht gelang, die in ihr aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken, würde sie den illustren Gästen der Bradleys ein erniedrigendes Spektakel bieten. »Warum tun Sie das?«, flüsterte sie. »Was geht Sie das überhaupt an?«
»Oh, meine Liebe, mich geht alles an, was Gabriel betrifft. Ich will, dass er ganz nach oben kommt, und lasse es nicht zu, dass er hinabgezogen wird. Das ist ein hübsches Kleid«, fügte sie rasch hinzu und schwebte davon, als sie Amanda näher kommen sah.
»Laura, geht es dir gut? Du bist weiß wie ein Laken. Komm, ich suche dir einen Stuhl.«
»Nein, ich brauche frische Luft.« Laura flüchtete durch die offenen Glastüren auf die Marmorterrasse.
»Setz dich.« Amanda war ihr gefolgt und nahm ihren Arm, um sie zu einem Stuhl zu führen. »Gabriel wird gleich hier sein. Wenn er dich in diesem Zustand sieht, wird er mir die Hölle heißmachen, weil ich dich all diesen Leuten ausgesetzt habe.«
»Damit hat es nichts zu tun.«
»Aber mit Marion.« Amanda nahm ihr das Wasserglas aus der sich immer fester darum schließenden Hand. »Falls sie den Eindruck erweckt hat, dass es zwischen ihr und Gabriel etwas gegeben hat, so kann ich dir versichern, dass daran kein Wort wahr ist.«
»Das ist nicht wichtig.«
Mit einem leisen Auflachen warf Amanda einen Blick zurück in den Raum. »Wenn das dein Ernst ist, bist du eine bessere Frau als ich. Eine der einstigen Bekannten meines Mannes kenne ich jetzt seit über fünfunddreißig Jahren. Ich könnte ihr noch immer ins Gesicht spucken.«
Laura sog die mild duftende Abendluft ein. »Ich weiß, dass Gabriel mir treu ist.«
»Das solltest du auch. Und du solltest ebenfalls wissen, dass Marion niemals Gabriels Geliebte war. Ich kann nicht behaupten, dass ich über sämtliche von Gabriels Affären Bescheid weiß, aber ich weiß genau, dass er und Marion als einzige Gemeinsamkeit die Kunst haben. Was hat sie denn gesagt, um dich so sehr aufzuregen?«
»Es war nichts.« Laura rieb sich flüchtig über die Schläfen. »Eigentlich bin ich selbst schuld. Ich habe einfach überreagiert. Sie hat erwähnt, dass sie meinen ersten Mann kannte.«
»Ich verstehe.« Amanda schaute verärgert zum Salon hinüber. »Nun, ich muss schon sagen, ich finde es äußerst taktlos, das Thema ausgerechnet auf eurem Hochzeitsempfang anzuschneiden. Man sollte meinen, eine Frau wie Marion hätte mehr Geschmack.«
Laura straffte die Schultern. »Ich wäre dir dankbar, wenn du Gabriel gegenüber nichts davon erwähntest. Es gibt keinen Grund, ihn auch noch aufzuregen.«
»Du hast recht. Ich werde selbst mit Marion sprechen.«
»Nein.« Laura griff nach ihrem Glas und nippte bedächtig. »Falls es etwas zu besprechen gibt, werde ich das selbst tun. Könntest du an einem der nächsten Tage auf Michael aufpassen? Ich möchte mir in der Galerie Gabriels Bilder ansehen.«
Laura erwachte atemlos und fröstelnd. Sie hatte sich einen Weg aus dem Albtraum erkämpft und schlug in Gabriels Armen die Augen auf.
»Beruhige dich. Es ist alles in Ordnung.«
Sie schnappte nach Luft und atmete langsam wieder aus. »Tut mir leid«, murmelte sie und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Möchtest du etwas? Ein Glas Wasser vielleicht?«
»Nein, danke.« Die Angst war fort, jetzt kam die Verärgerung. Die leuchtende Digitalanzeige des Weckers stand auf vier Uhr fünfzehn. Erst vor drei Stunden waren sie zu Bett gegangen, und jetzt lag sie unruhig und hellwach da.
Ohne seinen Arm von ihren Schultern zu nehmen, ließ Gabriel
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