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Zauber-Schloss

Titel: Zauber-Schloss Kostenlos Bücher Online Lesen
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ob der Drache ein Feuerspeier oder ein Dampfdrache war, aber so oder so wollte er es nicht riskieren. Niemand, der bei klarem Verstand war, und auch nur wenige, die es nicht waren, ließe sich mit einem ausgewachsenen Drachen ein!
    »Wir brauchen aber nicht in die Spalte hinein«, schnatterte Hüpfer. »Ich denke an Ballonflug.«
    »Ballonflug?«
    »Auf einem Flugseil über den Abgrund schweben. Hier herrscht Auftrieb, ich glaube, die Bedingungen sind ganz günstig, besonders mitten am Tag, wenn die warme Luft aufsteigt. Aber da sind immer noch Gefahren.«
    »Gefahren«, wiederholte Dor, den der ganze Plan verblüffte. »Auf Seide fliegen?«
    »Wenn die Windrichtung sich ändern sollte oder wenn ein Sturm aufkäme –«
    Je mehr Dor darüber nachdachte, um so weniger gefiel ihm der Gedanke. Und doch hatte er keine bessere Alternative anzubieten. Er wollte weder in die Spalte hinabsteigen noch um sie herum gehen. Er hatte nur zwei Wochen, um seinen Auftrag im Wandteppich durchzuführen, und zwei Tage hatte er bereits aufgebraucht. Wenn sie die Spalte umrundeten, dann würde dabei möglicherweise die gesamte restliche Zeit draufgehen. Er mußte so schnell wie möglich zu Schloß Roogna. »Ich glaube, wir versuchen es besser mit dem Ballonflug«, sagte er zögernd.
    Hüpfer stellte sich an den Rand der Spalte und zog etwas Seide hervor. Doch er band sie nicht fest, sondern ließ sie vom Wind emportragen. Bald wickelte sie sich immer schneller ab. Ihr Ende wurde nach oben getrieben wie ein magischer Stoffdrache. Dor konnte nur wenige Fuß davon sehen, danach war die Seide in der Luft unsichtbar, so sehr er sich auch anstrengen mochte, sie zu erkennen. Er verstand nicht, wie dieser Faden irgend etwas über den Abgrund tragen sollte.
    »Ist fast fertig«, schnatterte Hüpfer. »Ich werde es an dir befestigen, Freund, bevor es mich fortreißt.« Tatsächlich hatte die Spinne bereits Mühe, sich am Boden festzuklammern. »Komm doch bitte näher.«
    Dor trat näher, und mit geschickten Bewegungen seiner Vorderbeine stellte Hüpfer eine Hängematte her, die ihn tragen sollte. Da kam auch schon ein starker Windstoß, und Dor wurde emporgerissen und über die Spalte geweht.
    Viel zu erstaunt, um sich zu rühren oder gar zu schreien, starrte Dor in die fürchterliche Tiefe hinab. Er rutschte ein wenig an seinem Haltestrick hinab, als der Drache einen neuen Kurs einschlug, und dachte schon, daß er direkt in die Spalte hineinstürzen würde, doch da wehte ihn der Auftrieb wieder empor. Die beiden Wände der Schlucht waren so geneigt, daß die Öffnung sich nach unten keilförmig verjüngte. Im Osten warf die Sonne ihre Strahlen auf die zerklüfteten Vorsprünge, aber tief unten blieb es dunkel. Nein, da wollte er bestimmt nicht hin!
    Als er wieder emporgetragen worden war, ließ der Wind etwas nach, trug ihn zwar höher, trieb ihn aber auch westwärts die Spalte entlang. Er kam nicht richtig auf die andere Seite. Hüpfer stand noch immer an der Kante und spann eine eigene Halteleine, aber das brauchte Zeit, und er trieb immer weiter von ihm ab. Was, wenn sie voneinander getrennt würden?
    Dor kannte Hüpfer jetzt erst zwei Tage, aber inzwischen war er schon auf ihn angewiesen. Es hatte nicht nur damit zu tun, daß Hüpfer ihm Gesellschaft leistete oder gut zu kämpfen wußte oder daß er einige sehr nützliche Kniffe mit seiner Seide vollführen konnte – so wie etwa der Ballonflug –, sondern es lag wohl in erster Linie daran, daß Hüpfer ein Erwachsener war. Dor besaß jetzt zwar auch den Körper eines Erwachsenen, hatte aber weder seine Selbstsicherheit noch sein Urteilsvermögen. Wenn er auf sich allein gestellt war, dann fühlte er sich unsicher, wenn auch manchmal völlig grundlos.
    Hüpfer dagegen schätzte jede Situation kühl ein und reagierte mit präziser Vernünftigkeit. Er konnte zwar auch Fehler begehen, aber sie warfen ihn nicht gleich um. Er war ein stabilisierender Einfluß, den Dor auch brauchte. Er hatte es bisher noch nicht begriffen, und das war auch ein Teil seines Problems. Er war nicht sehr gewandt darin, unmittelbar vor einer Krise seine eigenen Motive zu analysieren. Er brauchte die Gesellschaft eines Wesens, das ihn verstand, das sich auf seine Fehler im voraus einstellen konnte, ohne ihn dadurch in Verlegenheit zu bringen. Eben jemanden wie Hüpfer.
    Er spürte einen Schmerz auf der Kopfhaut und hieb mit der Handfläche darauf. Dieser verdammte Floh!
    Der Wind wurde jetzt immer stärker. Dor segelte

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