Zauber-Schloss
eifrig.
»Ich wollte das eigentlich sowieso nicht«, meinte Helene, als sie den Ring an ihre größte Klaue schob. Bisher hatte sie ihn lediglich hochgehalten. »Mama hat darauf bestanden, das ist alles. Du kannst das Mädchen haben, obwohl ich nicht so recht weiß, was du in deinem Alter mit ihr anfangen willst. Sie befindet sich drei Höhlen weiter nach rechts.«
»Äh… danke«, sagte Dor. »Wird deine Mutter denn keine Einwände haben… ich meine, wenn ich einfach so hinausspaziere?«
»Nicht, wenn ich nicht krächze. Und wenn dein Ring wirklich funktioniert, dann werde ich auch nicht krächzen.«
»Aber dieser Ring braucht immer erst eine kleine Weile, selbst wenn –«
»Ach, geh nur. Merkst du denn nicht, daß ich dir einen Vorsprung geben will?«
Dor ging weiter. Er wußte nicht, wie lange sie Geduld mit dem Ring haben würde oder ob sie es sich nicht einfach anders überlegen würde. Natürlich war es durchaus möglich, daß der Ring wirklich das Geforderte hervorbrachte. Wie schön wäre das doch für die Harpyien, wenn er ihnen ein männliches Küken bescheren könnte! Doch bis dahin wollte er keine Zeit vergeuden.
Die alte Vettel musterte ihn zwar mißtrauisch, leistete ihm aber keinen Widerstand. Er zählte vier Unterhöhlen nach rechts, dann ging er hinein. Tatsächlich – da war Millie, zwar etwas zerzaust, aber unversehrt. »O Dor!« rief sie aus. »Ich wußte doch, daß du mich retten würdest!«
»Noch habe ich dich nicht gerettet«, ermahnte er sie. »Ich habe meinen Wunschring dafür eingetauscht, dich freizubekommen.«
»Dann verschwinden wir besser so schnell wie möglich! Dieser Ring brächte es doch nicht einmal fertig, sich aus einem Traum hinauszuwünschen.«
Warum sollte er auch? fragte er sich. Er musterte den Höhlenausgang. Dahinter lag ebenfalls ein steiler Abgrund. »Ich glaube nicht, daß wir einfach hinausspazieren können. Ich glaube kaum, daß es irgendwelche Ausgänge gibt, durch die man hinauskommt, ohne fliegen zu können. Deshalb machen sich die Harpyien ja auch keine Sorgen über unsere Flucht.«
»Sie… sie haben gedroht, mich zum Abendessen zu kochen. Ich würde lieber in den Abgrund springen, als –«
»Das haben sie nur gesagt, damit ich mitmache«, sagte Dor. Und doch hatte er das dumpfe Gefühl, daß das gar kein reiner Bluff gewesen war. Warum hätten sie es ihr erzählen sollen, wenn er doch gar nicht in der Nähe war, um es mitanzuhören? Die Harpyien waren wirklich keine netten Wesen.
»Um mitzumachen? Was wollten sie denn von dir?«
»Einen Dienst, den ich ihnen nicht erweisen konnte.« Obwohl sein Körper wohl doch – aber darum ging es gar nicht.
Millie blickte sein Gesicht an und rief: »Es ist ja sauber!«
»Ich… äh, ich hab’s mir waschen lassen.«
Ihre Augen verengten sich. »Was diesen Dienst angeht… bist du sicher – ?«
Diese verdammte weibliche Intuition! Dor kniete neben dem Ausgangsloch nieder und befingerte es. »Vielleicht gibt es ja irgendwelche Grifflöcher oder so was.«
Selbst wenn es welche gegeben hätte, dann hätte er immer noch beide Hände benutzen müssen. Er wäre nicht dazu in der Lage gewesen, Millie mit einer Hand festzuhalten, und wenn sie es allein versuchen müßte, dann würde sie so lange schreien und strampeln und ihr Haar umherwerfen, bis sie in den sicheren Tod gefallen war. Sie war ja wirklich ein appetitliches Wesen, aber was Männersachen anging, da hatte sie nicht viel zu bieten.
Nicht daß er das noch von sich behaupten konnte, nach dieser Sitzung mit der Himmlischen Helene Harpyie…
Helene hatte gesagt, daß die Harpyien sich ihre Höhlen früher mit Kobolden geteilt hätten. Kobolde konnten nicht fliegen, und er bezweifelte, daß sie gut genug klettern konnten, um mit einer solchen Steilwand fertigzuwerden. Folglich mußte es irgendwelche Fußpfade geben. Vielleicht hatte man die ja auch zugebaut, nachdem die Kobolde vertrieben worden waren. »Wände, versteckt ihr irgendwelche Koboldgänge?«
»Ich nicht!« riefen die Wände im Chor.
»Wollt ihr damit sagen, daß die Kobolde diese Höhlen niemals benutzt haben?« fragte Dor enttäuscht. Hatte Helene ihn belogen – oder hatte sie von anderen Höhlen gesprochen, aus der Zeit, als die Harpyien hier noch nicht eingezogen waren?
»Stimmt nicht«, sagten die Wände. »Die Kobolde haben diese Höhlen ursprünglich ausgehöhlt und geweiht, bevor der Krieg ausbrach.«
»Wie sind die Kobolde denn hinein- und hinausgelangt?«
»Na, durch die
Weitere Kostenlose Bücher