Zauber-Schloss
wurde alles vom vorgetäuschten Schnarchen, Stöhnen und Pfeifen vermeintlich Schlafender übertönt. In diesem Schutz beratschlagte Dor sich flüsternd mit seinen Freunden.
Mitten in der Nacht schickten sie sich dann an zu fliehen. Es war schwierig hier unten, die genaue Tageszeit zu ermitteln, aber Hüpfer besaß ein ausgezeichnetes Zeitgefühl. Die Kobolde waren sich über die gewaltigen Fähigkeiten der Spinne nicht im klaren gewesen, da Hüpfer sich ihnen zum Kampf entgegengestellt hatte, anstatt davonzuspringen. Deshalb hatte Craven auch nicht die Deckenausgänge bewachen lassen. Eigentlich waren die Kobolde wirklich ziemlich dumm, genau wie ihr Unterführer es gesagt hatte.
Hüpfer sprang an die Decke, krabbelte zum Lüftungsschacht hinüber und erkundete, wohin er führte. Bald war er wieder da, um Dor und Millie emporzuziehen. So leise wie möglich schritten sie durch den dunklen Schacht, während hinter ihnen das heisere Geschnarche immer leiser wurde, je weiter sie sich von ihm entfernten. Endlich kamen sie an die von Sternen beschienene Oberfläche.
Es war alles überraschend einfach gegangen. Dor wußte, daß sie es ohne Hüpfer niemals geschafft hätten. Hüpfer – mit seiner überragenden Nachtsicht, mit seinen seidenen Seilen und seiner Kletterfähigkeit. Die Spinne machte das Unmögliche möglich.
5
Das Schloß
Sie entdeckten einen sicheren Baum, von dem sie den Rest der Nacht über hängen konnten, und machten sich am nächsten Morgen wieder auf den Weg. Die Stöcke und Steine waren hilfreich wie gewöhnlich, und gegen Mittag entdeckten sie schließlich mühelos Schloß Roogna. Dor war zwar dazu in der Lage, die allgemeinen Landschaftsmerkmale wiederzuerkennen, aber die Vegetation sah völlig anders aus. Es gab keinen Obstgarten, sondern eine ganze Menge von Raubpflanzen. Und – das Schloß war erst halb fertig.
Dor hatte Schloß Roogna schon viele Male gesehen, aber in dieser veränderten Umgebung sah es wie ein völlig neues, unvertrautes Gebäude aus. Es war groß, das größte Schloß in ganz Xanth, und seine Außenmauern waren ebenfalls die größten und massivsten im ganzen Land. Es war ungefähr quadratisch, etwa einhundert mal einhundert Fuß, und die Mauern erhoben sich an die dreißig Fuß über den Graben. An ihren Ecken ragten vier hohe Türme empor, hinter denen das doppelt so hohe Schloß noch größer wirkte. Die Türme warfen lange Schatten auf die Schloßmauern, und in der Mitte jeder Schloßseite befand sich ein kleinerer Rundturm, der wiederum noch geheimnisvollere Schatten warf. Auf jedem der Rundtürme ragte eine massive Brustwehr weit empor. Es gab weder Fenster noch sonstige Öffnungen. Zu Dors Zeit hatte man zwar einige ausgebrochen, aber dies hier war eine abenteuerlichere Zeit, in der die Befestigungsanlagen so stark wie möglich bleiben mußten. Alles in allem war dies wohl das mächtigste und beeindruckendste Gebäude, das Dor sich jemals hätte vorstellen können.
Doch der Innenbau existierte noch so gut wie überhaupt nicht. In diesem Baustadium war der schöne Palastteil nichts als ein einfacher Schloßhof. Und an der Nordmauer fehlten die Gänge: die riesigen Steine bildeten eine stufenförmige Lücke in der Mauer, und der runde Stützturm war noch nicht fertiggebaut.
Eine Zentaurenherde arbeitete an diesem Teil des Gebäudes und bewegte die gewaltigen Steinklötze mit Hebebalken, dicken Seilen und schierer Kraft nach oben. Sie arbeiteten etwas weniger eifrig und gekonnt, als Dor es aufgrund der Kenntnis um die Zentauren seiner Zeit erwartet hätte. Sie sahen auch gröber und ungeschlachter aus, als seien die Menschen- und die Pferdegliedmaßen nur ungenügend zusammengefügt worden. Er wurde daran erinnert, daß sich in den acht Jahrhunderten nicht nur neue Arten entwickelt hatten, sondern daß die alten sich auch verfeinert hatten.
Dor schritt auf den Zentaurenaufseher zu, der draußen vor dem Graben neben einem groben Holzgerüst stand, das den nächsten Steinblock abstützte, der gerade hochgezogen werden sollte. Er schwitzte heftig beim Hin- und Hertraben, bellte der Flaschenzugmannschaft Befehle zu und versuchte, dafür zu sorgen, daß der Stein nach oben befördert wurde, ohne daß er dabei Löcher in die Mauer schlug. Um sein Hinterteil summten lästige Pferdebremsen – nicht die große Flügelpferdeart, sondern die kleinere Pferdestechart. Als Hüpfer sich näherte, flogen sie hastig davon, aber der Zentaur merkte es gar nicht.
Ȁh, wo ist
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