Zauber-Schloss
dann haben wir euch mitgenommen, weil wir uns gedacht haben, daß jeder Feind der Harpyien unser Freund sein könnte.«
»Sie wollten…« Dor wußte nicht genau, wie er es ausdrücken sollte. »Sie wollten, daß ich etwas für die Himmlische Helene Harpyie tue.«
»Die Himmlische Helene?« fragte Millie mit mißtrauisch gefurchter Stirn.
Craven bekam einen solchen Lachanfall, daß er die Tausendfüßlerbeine gegen die Decke prustete. Die Koboldhöflinge applaudierten seiner Zielgenauigkeit. »Die Himmlische Helene! So stellen die das also an. Suchen sich Menschenmänner als Zuchthengste! Kein Wunder, daß du sie abgewehrt hast! Was für ein schlimmes Schicksal!«
»Ach, ich weiß gar nicht mal –« fing Dor an, doch dann sah er Millies Blick. Er wechselte das Thema. »Sie sagten, daß das alles nur an euch Kobolden läge. Daß ihr ihnen ihre Männer entführt hättet.«
»Wir haben uns nur für das gerächt, was sie uns angetan haben!« rief Craven. »Es gab mal eine Zeit, da haben wir gemeinsam dieselben Höhlen bewohnt, aber dann haben sie uns den Raum geneidet, also haben sie uns einen üblen Zauber angehext. Sie haben unseren Frauen die Augen so verdreht, daß sie die Reize unserer Männer nur noch verkehrt herum sehen konnten. So wurden die tapfersten, schönsten, klügsten Kobolde für sie etwas Verabscheuungswürdiges. Mit einer unfehlbaren Sicherheit wurden sie von den schwächsten, häßlichsten, dümmsten Feiglingen und Dieben unter uns angezogen, und mit denen haben sie sich dann auch gepaart. Auf diese Weise ist unsere ganze Rasse unaufhaltsam degeneriert. Wir waren einmal schöner als die Elfen, schlauer als die Gnome und kräftiger als die Trolle, und unser Ehrgefühl war ausgeprägter als das der Menschen. Und jetzt seht uns doch an – wir sind mißgestaltet und dumm und feige und verräterisch, so daß fünf von uns nicht einmal einen von euch wirklich bedrohen können. Die Harpyien haben uns diesen Zauber angehext, und nur sie können ihn wieder aufheben. Aber die widerlichen Vögel weigern sich, das zu tun. Also müssen wir Rache üben, wo wir nur können, solange wir in Xanth überhaupt noch irgend etwas zu sagen haben.«
Das war ja eine andere Seite der Medaille, von der die Harpyien Dor überhaupt nichts erzählt hatten! Dor verstand, daß Frieden zwischen den beiden Arten unmöglich war; denn der Schaden, der den Harpyien zugefügt worden war, ließ sich nicht wiedergutmachen. Es sei denn, daß es zu einer echten Paarung zwischen einem Menschen und einem Geier kam, aus dem ein Harpyien-Männchen hervorging – doch das konnte er sich kaum vorstellen. Also würde der Krieg zwischen Harpyien und Kobolden andauern, bis –
»Aber der Endsieg ist unser«, sagte Craven mit grimmiger Selbstzufriedenheit. »Die Klans der Kobolde werden bereits zusammengezogen, von unseren Brüdern in den tiefen Höhlen verstärkt, deren Zahl unendlich groß ist, und wir bekommen auch Unterstützung von unseren Verbündeten aus den verwandten Rassen. Wir werden die Harpyien und ihresgleichen endlich von der Karte Xanths ausradieren!«
Dor dachte daran, daß sich die Harpyien auch gerade zum Kampf sammelten. Das mußte eine Schlacht geben!
Man überließ den Ehrengästen eine wunderbar dunkle Höhle für die Nacht, in der kerngesunde Ratten die Nickelfüßler abwehrten, mit einem Loch in der Decke, durch die die dunkle Luft abzog. Sie waren wohl Gäste – aber ihre Gastgeber hatten eine Entschiedenheit an sich, die Dor beunruhigte und nachdenklich machte. Er erinnerte sich daran, daß Craven davon gesprochen hatte, daß die Kobolde zum Verrat neigten. Waren sie vielleicht so begierig darauf, ihre schäbigen Künste auszuüben, daß sie es vorzogen, ihre Gefangenen nicht sofort zu töten, sondern sie erst glauben zu machen, daß sie geehrte Gäste seien – die man dann heuchlerisch hintergehen konnte? Hatten die Kobolde wirklich vorgehabt, sie von den Harpyien zu befreien, oder mästeten sie sie lediglich, um dann mit ihnen einen Festschmaus zu veranstalten? Craven hatte ja durch seine eigene Aussage darauf hingewiesen, daß man ihm kaum trauen dürfte.
Dor wechselte Blicke mit Hüpfers größtem Auge. Sie sprachen nicht miteinander, weil es möglich war, daß die Kobolde sie durch Löcher in der Wand belauschten, aber es war offensichtlich, daß die Spinne ähnliche Bedenken hegte.
»Gib laute Schnarchgeräusche von dir«, murmelte Dor dem Boden zu, auf dem er lag. Der Boden gehorchte, und schon bald
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