Zauber-Suche
Ruck. »Ich glaube, wir sind da«, krächzte Juwel. Ihre Stimme war vom stundenlangen Singen ganz heiser.
»Du hättest mich schon vorher wecken sollen!« sagte Bink. »Dann hätte ich dem Wurm auch etwas vorsingen können. Du bist ja ganz erschöpft!«
»Dein Kopf ruhte so nett an meiner Schulter, daß ich es einfach nicht über mich gebracht habe, dich zu wecken«, hauchte sie. »Außerdem wirst du alle deine Kräfte brauchen. Ich spüre schon, wie die Magie immer stärker wird.«
Bink spürte es ebenfalls: ein leises Prickeln auf der Haut wie bei dem magischen Staub.
Vielleicht bestand der Fels ja sogar aus dem gleichen Material wie der Staub. Doch dann blieb immer noch die Frage, wodurch er mit Magie versehen wurde. »Äh, danke«, sagte er verlegen. »Du bist eine süße Nymphe.«
»Na ja …« Sie drehte den Kopf zu ihm um, wodurch sie sich leicht küssen ließ. Sie duftete nach besonders prächtigen Rosen. Auch diese Magie wurde deutlich verstärkt. Bink beugte sich vor, atmete den herrlichen Duft ein, führte seine Lippen an die ihren –
Da wurden sie von der plötzlich auf der Seeoberfläche auftauchenden Flasche unterbrochen. Irgend etwas war an dem Gefäß befestigt, ein Stück Bindfaden oder Teer –
»Grundy!« schrie Bink.
Der Golem blickte auf. »Wird auch Zeit, daß ihr endlich kommt! Hol die Flasche ein, bevor –«
»Kann man in dem See auch schwimmen?« fragte Bink.
Das Leuchten des Wassers mochte vielleicht Kobolde abhalten, aber deshalb war es für Menschen noch nicht unbedingt sicher.
»Nein«, sagte Juwel. »Das Wasser wirkt auf die meisten Lebewesen wie schleichendes Gift. Wenn man etwas davon trinkt, ist das nicht weiter schlimm, sofern es oben ist, wo es von der Oberflächenströmung verdünnt wird. Aber hier unten, wo es sehr viel mehr Magie aufgenommen hat –«
»Also gut, es wird nicht geschwommen«, sagte Bink. »Chester, kannst du sie mit dem Lasso einholen?«
»Zu weit weg«, sagte der Zentaur. »Wenn die Strömung sie allerdings näher ans Ufer treibt, dann ist es ein Kinderspiel.«
»Beeilt euch lieber!« rief Grundy. »Da unten im See ist irgend etwas –«
»Die Strudelungeheuer leben auch in einem See«, sagte Chester. »Glaubst du, daß der Feind –«
Bink begann, sich auszuziehen. »Ich glaube, ich schwimme besser hinaus und hole die Flasche sofort. Wenn der See mir schadet, kann der Magier mir immer noch einen Tropfen von seinem Heilelixier verabreichen. Das müßte hier auch stärker wirken.«
»Tu das nicht!« rief Juwel. »Dieser See … ich glaube, du würdest nicht einmal bis zur Flasche kommen. Komm, ich lasse den Schaufler durchs Wasser bohren. Wenn er am Bohren ist, kann ihm nichts etwas anhaben.«
Sie lenkte den Wurm heiser singend ins Wasser. Er fuhr seinen kreisförmigen Flansch aus, um einen Tunnel durch das Naß zu schaffen, genau wie beim Fels. Er bewegte sich sehr langsam, bis Chesters Flöte erschien und einen strammen, schönen Marsch blies. Die Flöte wirkte größer und heller als zuvor, und ihr Klang war auch lauter: noch mehr Magieverstärkung. Der Schaufler beschleunigte sein Tempo und krümmte sich im Takt zusammen, um sich dann wieder zu strecken. Zielstrebig bewegte er sich auf die Flasche zu. »Danke, Zentaur«, flüsterte Juwel.
»Beeilung! Beeilung!« schrie der Golem. »Die Koralle weiß um … sie versucht … ist … HILFE! SIE TAUCHT AUF, UM MICH ZU HOLEN!«
Dann stieß Grundy auch schon einen entsetzlichen Schrei aus, als verspürte er menschlichen Schmerz. »Ich bin noch nicht wirklich!« rief er, nachdem der Schrei bis in sein Innerstes durchgedrungen war. »Ich bin immer noch ein Golem, nur ein Ding aus Bindfaden und Gummi. Ich kann kontrolliert werden. Ich –«
Er brach ab, schrie erneut auf und fuhr in leiserem Ton fort. »Ich bin erledigt.«
Bink verstand nicht, worum es ging, und hatte doch das flaue Gefühl, daß er dem Golem irgendwie hätte helfen müssen, gegen – ja, gegen was eigentlich? Irgendeine Ermutigung hätte er ihm geben können, eine Erinnerung an die Gefühle, die Grundy offensichtlich ja doch besaß. Vielleicht hätte der Golem gegen sein eigenes Entsetzen ankämpfen können, wenn –
Jetzt hatte der Wurm fast die Flasche erreicht. Hastig klammerte Grundy seine Bindfadenarme um den Korken, stemmte die Füße gegen den Flaschenhals und zerrte am Korken. »Bei der Macht der Gehirnkoralle, komm heraus!« keuchte er.
Der Korken sprang aus der Flasche. Rauch schoß hervor, wurde zu einem
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