Zauber-Suche
als die Gehirnkoralle sein Talent ausgeschaltet hatte. Er mußte jetzt vor allem dafür sorgen, daß der Zufall so weit wie möglich ausgeschaltet wurde. Sein Talent war stark begrenzt, weil es niemals offen zutage träte, sondern immer erst einen günstigen Zufall abwarten mußte. Er mußte also genauestens planen und nichts dem Zufall überlassen.
Der Vogel flog nicht fort, sondern rannte in die Mitte der Arena hinaus. Bink erhob sich und verfolgte das Ungeheuer, wobei er darauf achtgab, vorsichtig zu sein. Da war ein Steinchen, über das er hätte stolpern können, dort erblickte er einen Fettfleck. Daß er auf dem Gelee ausgerutscht war, hatte vor allem an seiner Achtlosigkeit gelegen. Die konnte er verringern. Aber warum flog der Vogel nicht einfach davon, wo Bink sich doch so vorsichtig bewegen mußte?
Wahrscheinlich lag das an der Tatsache, daß das Ungeheuer kein Magier war. Jede Gestalt, die es annahm, war ungefähr gleich groß und stets an den Boden gebunden. Es war zwar ein gutes Talent, aber kein ungewöhnliches. Es hatte deutliche Grenzen. König Trent konnte eine Fliege in ein Hephalumph, in einen Wurm oder in einen Flugdrachen verwandeln. Größe und Fähigkeiten spielten überhaupt keine Rolle dabei. Doch dieses Ungeheuer verwandelte nur seine äußere Gestalt, nicht aber seine Fähigkeiten. Sehr gut!
Bink schritt vorsichtig auf den Raubvogel zu, sprungbereit für den Fall, daß er einen Ausfall in Richtung Ausgang versuchen sollte. Wenn er fliehen wollte, mußte er ihm den Rücken zukehren, und dann könnte er ihn niederstrecken. Da war keinerlei Zufall mit im Spiel, also konnte sein umgekehrtes Talent ihm dabei auch keinen Streich spielen. Binks früheres Leben, als er noch nichts von seinem Talent gewußt hatte, hatte ihn geschult, ohne Talent auszukommen. Seine jüngsten Abenteuer, als sein Talent sowohl ausgeschaltet als auch gänzlich abhanden gekommen war, hatten ihm als Auffrischungstraining gedient. Das Ungeheuer würde sich stellen müssen, um zu kämpfen, anstatt sich darauf zu verlassen, daß er die Sache versiebte.
Plötzlich war es ein Mann – ein stämmiger Grobian mit zerzaustem Haar und zerfetzten Kleidern, der ein glitzerndes Schwert trug. Er machte den Eindruck, als verstünde er etwas von seinem Geschäft. Genaugenommen sah er sogar irgendwie vertraut aus.
Tatsächlich – das war ja ein Abbild von Bink selbst! Das Ungeheuer wurde langsam klüger und stellte Schwert gegen Schwert. Bink griff an.
Das Ungeheuer war offensichtlich kein Schwertkämpfer, genau wie er es vermutet hatte. Es mochte zwar aussehen wie Bink, konnte aber nicht so gut kämpfen wie er. Dieser Kampf würde bald zu Ende sein!
Bink machte eine Finte und schlug dem Gegner plötzlich das Schwert aus der Hand. Dann drängte er das Ungeheuer gegen die Wand, bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen.
»Bink!« rief eine Frauenstimme verzweifelt.
Bink erkannte sie: Es war Juwel! Vom Zauber des Dämons angezogen, war sie genau im falschen Augenblick eingetroffen. Das mußte ein Werk seines umgekehrten Talents sein, das sich gerade noch rechtzeitig einmischte, um den Feind zu retten. Es sei denn, er handelte sofort –
»Bink!« schrie sie wieder und sprang in die Arena hinunter, um sich zwischen ihn und das Ungeheuer zu stürzen. Sie duftete nach einem Sommersturm. »Warum bist du wieder in die Höhlen eingedrungen, anstatt draußen in Sicherheit zu bleiben?« Dann hielt sie verblüfft inne. »Ihr seid ja beide Bink!«
»Nein, er ist das Ungeheuer«, sagte das Ungeheuer, bevor Bink etwas erwidern konnte. »Er versucht, einen unbewaffneten Mann zu töten.«
»Schande über dich!« fauchte Juwel und drehte sich zu Bink um. Aus dem Sturm war ein Hurrikan geworden, der nach umherwirbelndem Staub und zertrümmerten Ziegeln roch. »Weiche, Ungeheuer!«
»Los, verschwinden wir«, sagte das Ungeheuer, ergriff ihren Arm und machte sich auf den Weg zum Ausgang.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« rief Cherie von oben herab. »Schafft diese dämliche Nymphe aus der Arena!«
Doch Juwel blieb bei dem gerissenen Ungeheuer und schritt mit ihm in Richtung Sicherheit – in eine Katastrophe hinein, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte. Bink blieb wie angewurzelt stehen, unfähig, gegen Juwel die Hand zu heben.
»Aber wenn du ihn gehen läßt, wird sie doch auch sterben!« schrie Cherie. Das riß ihn aus seinem Stupor. Bink sprang auf das Paar zu, packte es bei den Hüften und riß beide zu
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