Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Was glauben Sie, welche
turnerischen Leistungen die Gute schon in anderen Inszenierungen mit Bravour gemeistert
hat? Sie war kerngesund. Bis auf ein paar Migränebeschwerden ab und zu.«
»Könnte
Alkohol im Spiel gewesen sein?«
Der große
Mann lachte auf. »Nie und nimmer! Und wenn, dann hätte das der guten Anabella auch
nichts ausgemacht, glauben Sie mir. Ich kann mich noch an so manche Party aus unserer
Studentenzeit in Wien erinnern. Sie und Ferdinand Hebenbronn haben sich damals schon
gut verstanden. Und nach Mitternacht ist Anabella regelmäßig mit einer Flasche Wodka
angerückt. Herrgott, konnte diese Russin saufen! Und der Hebenbronn hielt auch immer
tapfer mit. Mir ist schon nach dem zweiten Schluck schlecht geworden. Am nächsten
Tag haben die beiden dann getan, als wäre nichts gewesen und sich nur gegenseitig
Tabletten gegen Kopfweh empfohlen.«
»Wenn Sie
glauben, der Geigenhändler hätte etwas mit dem Unfall von Anabella Todorova zu tun,
dann erhebt sich die Frage, ob Bernhold gestern in der Vorstellung war.«
»Das weiß
ich nicht. Ich habe ihn zumindest nicht gesehen.«
In diesem
Augenblick vibrierte Meranas Handy. Es war Thomas Brunner, der Chef der Spurensicherung.
»Guten Morgen, Martin. Ich bin in der Gerichtsmedizin. Richard ist eben mit der
Obduktion der Leiche von Anabella Todorova fertig geworden. Die Todesursache ist
eindeutig. Sie starb durch die Gehirnverletzung infolge des Sturzes. Sie hatte sonst
keine organischen Schäden, das Herz ist okay. Es gibt auch keine Spuren eines Infektes.
Organisch ist der Schwächeanfall also nicht zu erklären. Nachdem Kollege Unterweger
gestern bei ersten Befragungen mitbekam, dass die Sängerin unter Migräne litt und
vielleicht ein Mittel zu sich genommen hatte, ließ Richard auf Anweisung der Staatsanwaltschaft
auch gleich eine toxikologische Analyse durchführen. Sie hatte nachweislich ein
Kopfwehmittel eingenommen. Aber was noch viel auffälliger ist: Wir haben im Mageninhalt
Spuren eines Barbiturates gefunden.«
Also Reste
eines Schlaf- und Betäubungsmittels. Das könnte tatsächlich die Ursache für ihren
Schwächeanfall gewesen sein.
»Welches
Barbiturat?«
»Phenobarbital.«
Merana kannte
diese Arznei. Wird auch als Antiepileptikum verwendet. Bei hoher Dosierung wirkt
es tödlich.
»Wisst ihr
schon die Menge?«
»Da sind
die Analysten noch dran. Ich wollte dich nur jetzt schon informieren. Fürchte, da
wird jetzt einiges auf uns zukommen.«
»Danke,
Richard. Mach dich mit deiner Truppe sofort auf ins Große Festspielhaus.
Check die
Garderobe der Todorova und auch die Garderoben der anderen. Ich fürchte zwar, ihr
werdet nicht mehr viel finden. Aber vielleicht kommen die Putzkolonnen heute später,
immerhin ist Sonntag. Wir müssen es jedenfalls versuchen. Ich rufe den Staatsanwalt
an.«
»Geht klar,
Martin, ich bin schon so gut wie dort.«
»Habt ihr
sonst etwas Auffälliges entdeckt?«
»Nein.«
»Danke,
Thomas«.
Er steckte
das Handy ein.
»Wie ich
Ihrem Telefonat entnommen habe, wird sich ein Besuch in der alten Werkstatt meines
Großvaters heute nicht mehr einer Verwirklichung zuführen lassen, Herr Kommissar.«
Merana musste
trotz des eben Gehörten lächeln. Irgendwie war ihm die umständliche Art der Formulierungen
seines Gegenübers sympathisch. »Bedauerlicherweise nicht. Aber ich komme gerne darauf
zurück. Ich fürchte, wir werden einander in nächster Zeit noch öfter sehen, Herr
Neuenberg. Ich habe eben die Bestätigung erhalten, dass man in Anabella Todorovas
Körper ein starkes Schlafmittel gefunden hat. Eine Frage, die wir uns dabei stellen,
heißt auch: Könnte sie es selbst genommen haben?«
»Sie denken
an Selbstmord? Nie und nimmer. Eine gewisse Exzentrik war ihr schon eigen. Aber
einen derart spektakulären Abgang mitten in ihrer Lieblingsarie hätte sie nie gewählt.
Außerdem stand sie mit beiden Beinen fest im Leben. Von Melancholie oder Depression
keine Spur.«
Merana nickte.
Sein Blick fiel wieder auf das Foto des Geigenhändlers. War das eine mögliche Spur?
In jedem Fall ein erster Hinweis. Und sie würden jeder noch so kleinen Fährte nachgehen.
Wenn in wenigen Stunden publik wurde, dass die berühmte Anabella Todorova auf der
Bühne des Großen Festspielhauses nicht durch die Tragik eines Unfalles vom Sockel
gestürzt war, sondern dass dabei jemand möglicherweise nachgeholfen hatte, dann
würde bald die Hölle los sein. Sämtliche nationalen und internationalen Medien aus
allen kunst- und
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