Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
brachte für Merana keine neuen
Erkenntnisse. Noch einmal verwies der Moderator auf die geschäftliche Verflechtung
des im Verdacht des Betruges stehenden Geigenhändlers Bernhold mit der Sängerin
Anabella Todorova, hinter deren Tod vermutlich ein Verbrechen steckte. Merana schaltete
das Gerät aus. Egal, was bei ihren Ermittlungen rauskommen würde, die Kraft der
eben gesehenen Szenen sprach für sich. Die Bilder von Waldemar Bernhold würden die
meisten Zuschauer durch die Form der TV-Darstellung immer im Zusammenhang mit den
Bildern der getöteten Sängerin in Erinnerung behalten. In den Köpfen der Leute würde
dadurch unweigerlich der Eindruck entstehen, es gebe in jedem Fall eine Verbindung
zwischen den beiden Vorfällen. Noch dazu, wo im Bericht und in der Moderation auf
diesen möglichen Zusammenhang mehrmals deutlich hingewiesen worden war. Solche spekulativen
Verbindungen herzustellen, gehörte zum Job der Medienleute, das war Merana schon
klar. Und vielleicht stimmte der Zusammenhang ja auch. Vielleicht war es tatsächlich
Bernhold, der am Tod von Anabella Todorova Schuld hatte. Aber vielleicht war es
auch nicht so. Er öffnete eine Datei an seinem Computer und holte sich eines der
Bilder der zu Tode gestürzten Sängerin auf den Schirm. Spuren von Rot und Blau zeigten
sich im geschminkten Gesicht der Russin. Ihre Augen waren starr. Dann suchte er
nach einem der Fotos, das sie im Wald von der Leiche Eminas aufgenommen hatten,
und zog es neben das Bild der Sängerin. Wieder stellte er sich die Frage, die ihn
seit Tagen beschäftigte. Wie hingen diese beiden schrecklichen Vorfälle zusammen?
Welche Verbindung war es, die von der einen Frau zur anderen führte? Vorausgesetzt,
es existierte überhaupt eine solche. Selbst wenn er in seinem Gedankengebäude immer
alle Möglichkeiten offen hielt, hatte er kaum Zweifel, dass ein Zusammenhang zwischen
den beiden Verbrechen bestand. Er wollte nicht an einen Zufallstäter glauben, der
die bedauernswerte Emina getötet und danach die Leiche im Wald ›entsorgt‹ hatte.
Wie hilfreich wäre es jetzt, sich von einem superschlauen Sarastro in den Tempel
der Weisheit bringen zu lassen. Dort würde ihm ganz sicher ein Licht aufgehen. Doch
er saß im Präsidium der Bundespolizeidirektion Salzburg und nicht in der Szenerie
der Zauberflöte. Er versenkte sich für ein paar Minuten in die Fotos der beiden
toten Frauen. Dann stand er auf, um seine Stellvertreterin in deren Büro aufzusuchen.
Die Chefinspektorin saß an ihrem Schreibtisch und blickte auf, als er ins Zimmer
trat.
»Carola,
habt ihr schon Zeugen gefunden, die möglicherweise Fabienne Navarra doch während
der Pause in der Nähe von Anabella Todorovas Garderobe gesehen haben?«
Sie verneinte.
»Leider nicht. Aber ich habe unseren jungen Kollegen angewiesen, sich ausschließlich
darum zu kümmern. Du weißt, dass es den meisten Leuten schwer fällt, aus der Erinnerung
anzugeben, wann sie wen an welchem Ort tatsächlich bemerkt haben. Noch dazu bei
dem Trubel, der am Premierenabend herrschte.« Ihm war klar, dass es nach sechs Tagen
zunehmend schwieriger würde, neue Zeugen zu finden.
»Ich habe
mir eben das News-Journal angeschaut. Die Staatsanwaltschaft in Wien ermittelt gegen
Bernhold. Die Katze ist aus dem Sack. Der Vorwurf des schweren Betruges ist öffentlich.«
»Ich weiß,
ich hab es im Internet gelesen. Die Wiener hätten uns auch früher informieren können.
Glaubst du inzwischen doch, dass er es war? Und dass die kleine Bosnierin es mitbekommen
hat und dafür büßen musste?«
»Ich weiß
zur Zeit überhaupt nicht, was ich glauben soll. Wie immer wäre mir Erkenntnis lieber
als Vermutung.«
»Wie würde
unser geliebter Chef sagen? Der Anfang des Heils ist die Erkenntnis des Fehlers.«
Merana verbeugte
sich vor seiner Stellvertreterin. »Ich ziehe tief den Hut des Respekts vor Ihrer
humanistischen Bildung, Frau Kollegin. Stammt der Spruch von einem Fußballspieler
oder von einem Chirurgen?«
»Weder noch.
Von irgendeinem griechischen Philosophen. Epikur, glaube ich.«
»Nehmt hin
den Kuss der Bewunderung, Erhabene«, blödelte er und drückte ihr einen lauten Schmatz
auf die Wange. Als er sich wieder aufrichtete, sah er die bunte Seite auf ihrem
Bildschirm.
»Was machst
du da? Versuchst du im Internet Tauschwillige zu finden, denen du deine Hammerhaie
gegen einen Rotfeuerfisch andrehen könntest?«
»Nein, das
ist meine Facebook-Freundschaftsseite von Flora. Ich übermittle ihr eben einen
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