Zauberhafte Versuchung
das tun?«, fragte sie den älteren Herrn.
»Fluchen ist etwas sehr Unschönes, nicht wahr?« Nichols lachte über seinen kleinen Scherz, während er eine Brille aus der Tasche nahm und sie aufsetzte. »Von welcher Art Fluch sprechen wir?«, fragte er, nachdem er wieder ernst geworden war. »Von solchen, wie man sie vor der Grabstätte einer Mumie findet? Oder von solchen, die biblische Plagen auslösen sollen?« Er hielt inne und blickte von der Schatulle auf. »Ach, wie dumm von mir. Ihre Frage hat vermutlich mit diesem Kästchen zu tun, nicht wahr? Jemand hat es geöffnet, habe ich recht?«
»Die Männer des Raben«, sagte Fielding und sah aus dem Augenwinkel, dass Esme sich entspannte.
»Und was ist passiert?«, fragte Mr. Nichols.
»Nichts«, sagte Fielding.
»Soweit wir es bisher wissen«, korrigierte Esme ihn. »Aber dass sie das Kästchen geöffnet haben, hat sich auf die Männer ausgewirkt. Es sieht so aus, als enthielte die Schatulle Armbänder, die mit einem Fluch belegt sind. Und der Träger eines solchen Armbandes wird zum Opfer dieses Fluches. Fielding und ich wissen, dass die Männer des Raben in die Schatulle gegriffen haben und dass jeder von ihnen seitdem einen dieser verfluchten Armreifen trägt.«
»Tatsächlich?« Nichols setzte das Kästchen nur widerstrebend ab und ging zu seinem Schreibtisch, wo er ein dickes Buch aufschlug und darin zu blättern begann. »Es handelt sich also um einen Fluch, der jeweils nur einen Einzelnen befällt. Die sind sehr schwierig aufzuheben, so viel kann ich Ihnen schon sagen.«
»Aber ist es möglich, einen solchen Fluch zu brechen?«, fragte Esme.
»Möglich ist alles, meine Liebe.« Mr. Nichols lächelte. »Wie Mr. Grey mit dem Finden der Schatulle bewiesen hat. Dass sich diese verwünschten Armbänder in den Händen Unbefugter befinden, bedeutet natürlich, dass noch sehr viel zu tun bleibt«, erklärte er.
Fielding und Esme wechselten einen Blick. Er nickte, um sie zu ermutigen und ihr Hoffnung zu machen, denn er sah ihr an, dass diese ganze Sache ihren Tribut von Esme zu fordern begann. Sie sah nach wie vor bezaubernd aus, doch in ihren Augen lag ein Ausdruck der Erschöpfung. Sie gab sich große Mühe, ihre Fassung zu bewahren, aber es war offensichtlich, dass die Fassade zu bröckeln anfing. Fielding hätte Esme gern getröstet, doch er gab diesem Wunsch nicht nach.
»Ah ja, hier haben wir schon einen Hinweis. Etwas über einen sehr alten Brauch der Zigeuner, um sich von einem bösen Zauber zu befreien.« Wieder glitt Nichols' Finger über die Buchseite. »Ja, ja, die Kunst des Tätowierens.«
»Pardon?«, sagte Esme.
»Tätowierungen. Obwohl es in diesem Fall genügen dürfte, einen Körper lediglich zu bemalen. Keine Sorge, meine Liebe, das muss nichts Dauerhaftes sein. Bei einigen Flüchen genügt es schon, den Körper mit einem Gegenfluch zu beschreiben, um die Person von der Heimsuchung zu befreien.«
»Und wie genau soll das vor sich gehen?«, fragte Esme.
Mr. Nichols nahm ein Blatt Papier und notierte etwas darauf. Dann reichte er es Esme. »Die Inschrift muss sowohl die Körpermitte der Person bedecken als auch den Ansatz des Rückens und den Unterleib. Darüber hinaus über dem Herzen und im Nacken.«
»Und welche Gegenstände würde man dafür benötigen?«, wollte Esme wissen.
»Ich glaube, ich habe noch etwas von der Paste, die ich selbst einmal für diesen Zweck benutzt habe.« Er öffnete einen Schrank und begann, darin herumzukramen. »Das war vor etwa zwanzig Jahren, als ich mit einem Freund in Rom war, wo wir bei Ausgrabungen auf eine Grabstätte stießen.« Nichols' Stimme klang gedämpft, da er nicht zu ihnen, sondern in den Schrank hineinsprach. »Auf jeden Fall litten wir danach beide unter einer Hautkrankheit, doch mit dieser Methode gelang es uns, sie loszuwerden, und schon bald waren wir wieder so gut wie neu ... Oh, gut, da ist sie ja.«
Er ging zu Esme und reichte ihr ein Tontöpfchen, dessen Seiten mit Flecken übersät waren, die wie getrocknete Tinte aussahen.
»Ich würde dazu einfach eine Schreibfeder benutzen«, schlug Mr. Nichols vor.
»Und die Inschrift wird direkt auf den Körper aufgetragen?«, fragte Fielding.
»Auf die nackte Haut«, erklärte Mr. Nichols.
Fielding sah, dass Esme schluckte. »Wie lange wird die Tinte halten?«
»Nicht für immer, aber zwei Wochen mindestens«. erwiderte Nichols. »Ich schätze, das Schwierigste wird sein, die beiden Diebe zu erwischen und sie lange genug
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