Zauberin von Darshiva
davon erzählt hatte, verheimlichte er mir nicht, was er vermutet. Kal Zakath war jahrelang in Cthol Murgos, ist jedoch vor kurzem nach Mal Zeth zurückgekehrt. Der größte Teil seiner Streitkräfte befindet sich jedoch noch im Westen, also hat er hier nicht sehr viele einsatzbereite Truppen. Mein Freund meint, daß Zandramas diese Krönung anordnete, um den Kaiser so wütend zu machen, daß er etwas Unüberlegtes tut. Ich nehme an, sie hofft, ihn aus Mal Zeth zu locken, damit ihre Leute über ihn herfallen können. Wenn es ihr gelingt, ihn zu tö-
ten, wird dieser Erzherzog aus Melcena tatsächlich Kaiser sein.«
»Was soll das alles?« fragte Silk.
»Ihr habt doch von Urvon gehört, oder?«
»Dem Jünger?«
»Genau. Jahrhunderte saß er in Mal Yaska, doch die Ereignisse in diesem Teil der Welt haben ihn schließlich herausgelockt. Zandramas wegen, wißt Ihr? Sie ist eine Gefahr für ihn. Jedenfalls ist er quer durch Karanda marschiert und hat eine gewaltige Armee um sich gesammelt. Die Karandeser glauben sogar, daß ihm ein Dämon hilft. Das ist natürlich Unsinn, aber den abergläubischen Karandesern kann man ja alles weismachen.
Deshalb muß Zandramas – oder ihr Volk – Macht über den Kaiserthron haben. Es ist für sie unbedingt erforderlich, daß die malloreanische Armee aus Cthol Murgos zurückkommt und daß sie die absolute Befehlsgewalt darüber hat, damit sie sie gegen Urvons Truppen einsetzen kann. Denn wenn ihr das nicht gelingt, wird er alles vernichten, wofür sie gearbeitet hat.« Der Bürokrat seufzte tief, und sein Kopf sank auf die Brust.
»Jetzt wird er eine Weile schlafen«, sagte Sadi zu Belgarath.
»Das macht nichts«, antwortete der alte Mann, »ich habe erfahren, was ich wissen wollte.«
»Aber ich möchte auch noch etwas wissen«, entgegnete Polgara, die am Herd stand. Sie stieg vorsichtig über die Trümmerstücke auf dem Boden und legte ganz leicht eine Hand auf das Gesicht des eingenickten Bürokraten. Seine Augen öffneten sich, doch sein Blick wirkte etwas leer. »Wieviel wißt Ihr über Zandramas?« fragte sie ihn. »Ich würde gern ihre ganze Geschichte hören – falls Ihr sie kennt. Wie ist sie an so viel Macht gekommen?«
»Das ist eine sehr lange Geschichte, Lady.«
»Wir haben Zeit.«
Der dünne Melcener rieb die Augen und unterdrückte ein Gähnen.
»Laßt mich überlegen«, murmelte er mehr zu sich als zu ihr, »wo hat es angefangen?« Er seufzte. »Ich kam vor ungefähr zwanzig Jahren nach Peldane. Ich war jung und begeistert. Es war mein erster Posten, und ich wollte meine Sache gut machen und es zu etwas bringen. Peldane war gar kein so übles Land, wißt Ihr? Es gab natürlich auch hier Grolims, aber Urvon und Mal Yaska waren fern, und sie nahmen es mit ihrer Religion nicht sehr ernst. Torak schlief seit über fünfhundert Jahren, und Urvon interessierte sich nicht dafür, was hier in den Hinterlanden vorging.
In Darshiva sah es allerdings anders aus. Dort war es im Tempel von Hemil, der Hauptstadt, zu einer Art Spaltung gekommen, und es endete in einem Blutbad.« Er lächelte schwach. »Eines der wenigen Male, daß Grolims ihre Messer nicht gegen Wehrlose einsetzten, glaube ich. Nun, es kam dazu, daß ein neuer Oberpriester die Kontrolle über den Tempel erlangte – ein Mann namens Naradas.«
»Ja, ich habe von ihm gehört«, versicherte ihm Polgara.
»Ich selbst habe ihn nie gesehen, aber er soll sehr seltsame Augen haben.
Jedenfalls gehörte zu seinen Untergebenen eine junge Grolimpriesterin namens Zandramas. Sie muß damals sechzehn und sehr schön gewesen sein, wie man sich erzählte. Naradas führte die alte Form des Gottes-diensts wieder ein, und im Tempel von Hemil floß das Blut in Strömen.«
Er schauderte. »Offenbar war die junge Priesterin die eifrigste bei den Opferritualen der Grolims – entweder aus Fanatismus oder aus angeborener Grausamkeit oder weil sie damit die Aufmerksamkeit des neuen Oberpriesters auf sich lenken wollte. Es gab Gerüchte, daß er auch auf andere Weise von ihr angetan war. Sie war auf einen ziemlich obskuren Absatz im Buch Torak gestoßen, wonach das Opferritual unbekleidet durchgeführt werden sollte. Man erzählte, daß Zandramas eine aufregende Figur hatte, und ich nehme an, die Verbindung von Blut und ihrer Nacktheit erregte Naradas über alle Maßen. Ich hörte von Dingen, die im Heiligtum des Tempels während der Riten geschahen, die man in Gegenwart von Damen gar nicht beschreiben kann.«
»Ich glaube,
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