Zauberin von Darshiva
Unternehmen der Alorner und Tolnedrer mit uns zu tun haben?«
Sie schwang den Kopf langsam herum, und ihr geschmeidiger Hals wiegte sich in der Luft. »Seid Ihr wahrhaftig so unfähig, Adiss? Selbst wenn es uns nicht gefällt, ist Nyissa ein Teil der Welt, und wir müssen immer darüber informiert sein, was unsere Nachbarn tun – und weshalb.«
Sie hielt inne und züngelte nervös. »Es ist etwas im Gange und ich muß wissen, worum es genau geht, ehe ich entscheiden kann, ob ich in dieser Richtung etwas unternehmen soll oder nicht.« Wieder machte sie eine Pause. »Habt Ihr inzwischen herausgefunden, was aus dem Einäugigen, diesem Issus, geworden ist?«
»Jawohl, Eure Majestät. Er wurde vom drasnischen Geheimdienst angeworben. Dem letzten Bericht nach befand er sich mit der alornischen Abordnung in Rak Urga.«
»Sehr merkwürdig. Ich muß unbedingt Genaues über diese Sache erfahren – und zwar rasch! Enttäuscht mich nicht, Adiss. Eure Stellung ist bereits etwas wacklig, wißt Ihr? So, jetzt dürft Ihr mich küssen.« Sie senkte den Kopf, und er stolperte zum Podest, um mit zitternden Lippen ihre kalte Stirn zu berühren.
»Sehr gut, Adiss. Ihr dürft jetzt gehen!« Sie wandte sich wieder ihrem Spiegel zu.
König Nathel von Mishrak ac Thull war ein junger Mann mit schlaffen Lippen, stumpfen Augen, lehmfarbenem Haar und einem auffälligen Mangel an allem, was auch nur entfernt mit Intelligenz zu tun hatte. Seine königlichen Gewänder hingen befleckt und zerknittert von ihm, und seine Krone paßte ihm nicht. Sie saß auf seinen Ohren und rutschte häufig über seine Augen.
Agachak, der knochendürre Hierarch von Rak Urgo, konnte den jungen König der Thuller nicht ausstehen, aber er zwang sich, während ihres Gesprächs höflich zu sein. Höflichkeit war nicht Agachaks starke Seite. Er zog Befehle vor, denen er mit Androhung schrecklicher Strafe Nachdruck verleihen konnte. Aber eine sorgfältige Einschätzung von Nathels Wesen hatte ihn überzeugt, daß den jungen Thull eine Drohung oder ein Ultimatum auf der Stelle zusammenbrechen ließe. Darum sah sich Agachak dazu gezwungen, sich auf Bitten und seine Überredungskunst zu verlassen.
»Eure Majestät, die Prophezeiung besagt ausdrücklich«, versuchte er es aufs neue, »daß der König, der mich zu dem Ort der Begegnung begleitet, Oberkönig aller Angarakaner werden wird.«
»Bedeutet das, daß ich auch Cthol Murgos und Gar og Nadrak bekomme?« Ein schwaches Glimmen erwachte in Nathels stumpfen Augen.
»Selbstverständlich, Eure Majestät«, versicherte ihm Agachak. »Außerdem auch noch Mallorea.«
»Wird das denn nicht Kal Zakath gegen mich aufbringen? Das möchte ich nicht. Er ließ meinen Vater einmal auspeitschen, habt Ihr das gewußt?
Er wollte ihn eigentlich kreuzigen, aber es gab nirgendwo in der Nähe Bäume.«
»Ja, das hörte ich. Aber Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen. Zakath wird Euch huldigen müssen.«
»Zakath mir huldigen?« Nathel lachte. Es war ein erschreckend geistloser Laut.
»Er hätte keine andere Wahl, Eure Majestät. Denn weigerte er sich, wür-de ihn der Neue Gott an Ort und Stelle in seine Atome zerschmettern.«
»Was sind Atome?«
Agachak knirschte mit den Zähnen. »Winzige Teilchen, Eure Majestät«, erklärte er.
»Ich hätte nichts dagegen, wenn Urgit und Drosta mir huldigen müß-
ten«, gestand Nathel. »Aber Zakath – ich weiß nicht recht. Urgit und Drosta halten sich für so gescheit, daß ich sie gern ganz klein sehen möchte.
Aber Zakath – nein, ich weiß wirklich nicht.« Seine Augen leuchteten wieder auf. »Das würde bedeuten, daß das ganze Gold von Cthol Murgos und Gar og Nadrak mir gehört, nicht wahr? Und sie müßten es sogar für mich aus der Erde graben, nicht wahr?« Seine Krone rutschte wieder über die Augen, er legte den Kopf zurück, damit er unter ihrem Rand hervorspähen konnte.
»Ihr würdet auch das ganze Gold von Mallorea bekommen, sowie seine Edelsteine und die Seide und die Teppiche – sogar einen eigenen Elefanten, auf dem Ihr reiten könnt.«
»Was ist ein Elefant?«
»Ein sehr großes Tier, Eure Majestät.«
»Noch größer als ein Pferd?«
»Viel größer. Außerdem würdet Ihr auch Tolnedra bekommen, und Ihr wißt ja, wie reich das ist. Ihr würdet zum König der Welt!«
»Auch größer als ein Ochse? Ich habe schon furchtbar große Ochsen gesehen.«
»Zehnmal so groß!«
Nathel lächelte glücklich. »Ich wette, da würden die Leute zu mir
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