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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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fliegen.
    »Und dafür holen Sie uns mitten in der Nacht aus dem Bett?« fragt Loretta drohend. Evelyn wimmert verschreckt auf und versteckt den Kopf noch tiefer im Gefieder. Während meine Anwältin meiner Immobilienmaklerin die Leviten liest, sehe ich mich noch immer aufmerksam im Raum um und plötzlich habe ich eine Vision. Von meinem Café. Genau hier! In meinem Inneren beginnt es zu beben, ich spüre etwas, das ich seit langem nicht mehr gefühlt habe: Freude. Und Leben.
    »Es ist großartig«, jubele ich los und führe einen kleinen Tanz auf. Zwei Gesichter wenden sich mir mit einem Ruck zu und sehen mich an, als hätte ich vollkommen den Verstand verloren.
    »Bist du noch ganz dicht?«, fragt Loretta denn auch ganz charmant, aber ich knuffe sie nur gut gelaunt in die Seite.
    »Ein bisschen Phantasie, meine Dame, ein bisschen Phantasie«, trällere ich und falle gleich darauf Frau Brunke um den Hals, die erschrocken zusammenzuckt. »Sie hatten recht, ein Goldstück, das ist es«, sage ich, nachdem ich sie wieder losgelassen habe. »Und vielen Dank, dass Sie uns die Chance gegeben haben, das Ladenlokal als Erste zu sehen. Gehört das Inventar«, mit einer ausholenden Handbewegung deute ich auf den Sesselwust zu unserer Rechten, »mit dazu?«
    »Das wird natürlich entsorgt«, beeilt sich Frau Brunke zu versichern, »damit haben Sie nichts zu tun, der Eigentümer wird sich darum kümmern.«
    »Einen Teil der Möbel würde ich gerne behalten«, entgegne ich unter dem fassungslosen Blick von Loretta.
    »Sicher, das ist auch kein Problem«, nickt meine Maklerin eifrig und ich halte ihr meine ausgestreckte Rechte hin:
    »Wir nehmen es«, erkläre ich feierlich. Doch noch ehe sie einschlagen kann, trifft mich ein gezielter Rippenstoß von Loretta und ich krümme mich stöhnend zusammen. »Auu«, heule ich auf und ringe keuchend nach Luft, »bist du wahnsinnig? Was soll das?«
    »Tschuldigung«, macht sie zerknirscht und hilft mir beim Aufrichten, »ich hatte für eine Sekunde vergessen, dass du ein solcher Hungerhaken geworden bist.« Vorwurfsvoll sehe ich sie an und reibe mir die schmerzende Seite, während sie mich mit den Worten: »Frau Brunke, bitte entschuldigen Sie uns einen Moment«, zu der Tür im hinteren Bereich des Ladens zieht.
    »Kein Problem«, zwitschert diese und lässt sich vorsichtig auf einem dunkelgrünen Samtsessel nieder. »Lassen Sie sich ruhig Zeit«, erklingt ihre Stimme aus der aufwirbelnden Staubwolke.
     
    Die Tür führt uns hinaus in einen entzückenden Innenhof, in dem einige windschiefe Tischchen und Stühle stehen, von einer dünnen Schicht Puderzuckerschnee überzogen, denn inzwischen hat es schon wieder zu schneien begonnen. Kommt es mir nur so vor, oder fällt in letzter Zeit immer Schnee vom Himmel, wenn etwas Bedeutendes in meinem Leben passiert? Ringsherum strecken sich hohe, kahle Linden in den Himmel.
    »Sieh mal, Loretta«, sage ich und zeige nach oben, »wenn die Bäume im Sommer Blätter haben, ergibt das sozusagen einen natürlichen Sonnenschirm.«
    »Ja, sehr schön«, sagt sie kurz und hält mich am Arm fest. »Jetzt mal im Ernst, Luzie, hast du den Verstand verloren?« Ich sehe sie an und schüttele ernsthaft den Kopf.
    »Ganz und gar nicht. Ich spüre, dass es richtig ist, verstehst du?«
    »Der Laden ist eine Müllhalde«, schimpft sie.
    »Aber ich hatte eine Vision«, beharre ich und bemerke jetzt die mit Efeu bewachsene Mauer zu meiner Linken, vor der sich ein leeres Blumenbeet befindet. »Guck mal, dort pflanze ich Rosenstöcke. Ein verwunschener Schlossgarten mitten in der Schanze«, freue ich mich und klatsche in die Hände. Kopfschüttelnd sieht Loretta mich an.
    »Bist du dir ganz sicher?«, fragt sie zweifelnd und ich nicke heftig. »Ich muss dir sagen, dass ich das für eine ausgemachte Schnapsidee halte«, seufzt sie, »aber es gibt einen Grund, der dafür spricht.«
    »Welchen?«
    »Ich wette, du hast in der letzten Viertelstunde nicht einmal an den Unaussprechlichen gedacht.« Sie hat recht. Und wenn ich ehrlich bin, hätte ich nichts dagegen gehabt, nicht an ihn erinnert zu werden. Ich verdränge den Gedanken, so gut es geht und gehe gemeinsam mit Loretta wieder hinein, wo Evelyn Brunke uns mit gespanntem Gesichtsausdruck entgegenkommt.
    »Und?«
    »Meine Mandantin ist recht angetan von dem Objekt«, sagt Loretta in geschäftsmäßiger Zurückhaltung, die so gar nicht zu meinen glühenden Wangen und dem neugierig umherwandernden Blick passen will.

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