Zauberkusse
»Allerdings müssten wir uns einmal darüber unterhalten, inwieweit der Vermieter bereit ist, uns entgegenzukommen.«
»Der Mietpreis liegt schon weit unter dem Durchschnitt. In dieser Lage …«, gibt Frau Brunke zu bedenken, aber Loretta wischt dieses Argument vom Tisch.
»Es wird viele tausend Euro kosten, diese Bruchbude einigermaßen in Schuss zu bringen. Maßnahmen, die den Wert des Objektes nachhaltig steigern werden.«
»Ich denke nicht, dass Herr Holzer mit seinen Preisvorstellungen nach unten ausweichen wird.« Sorgenvoll wiegt Evelyn Brunke den Kopf hin und her.
»Ich denke schon«, lächelt Loretta zuckersüß.
Beim Abschied wirkt Evelyn Brunkes Lächeln ein wenig gezwungen, aber ich bin so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Mein eigenes Café. Davon träume ich schon, seit ich ein kleines Mädchen war und meinen Puppen in »Luzies Laden« Teichwasser-Cola und Gras-Salat serviert habe. Ein Vierteljahrhundert später sollte ich mir vielleicht einen etwas originelleren Namen ausdenken und die Speisekarte erweitern.
»Weißt du, was deine erste Amtshandlung als zukünftige Unternehmerin sein sollte?«, weckt Loretta mich aus meinen Gedanken, während wir Seite an Seite zum Auto zurückgehen.
»Eine Flasche Prosecco öffnen«, schlage ich vor, doch sie schüttelt den Kopf.
»Du rufst jetzt sofort im L’Auberge an und sagst, dass du ab heute wieder arbeiten kannst.« Sofort befällt mich eine bleierne Schwere und ich verziehe weinerlich das Gesicht.
»Nein, ich bin noch nicht wieder auf der Höhe«, fange ich an zu diskutieren, aber Loretta bleibt unerbittlich.
»Süße, das ständige Zuhausehängen und Grübeln bringt dich nicht weiter, im Gegenteil. Du musst dich ablenken, mal wieder unter Leute gehen.« Ich bemühe mich, auf Durchzug zu stellen, aber es will mir nicht so recht gelingen. »Außerdem brauchst du jeden Pfennig, wenn du aus dem Schrotthaufen da hinten wirklich einen Szeneladen machen willst«, bringt Loretta es schließlich auf den Punkt, »und wenn mich nicht alles täuscht, hat dich diese unsägliche Geschichte mit dem Bild ganze acht Mille gekostet, die du nie wieder sehen wirst. Oder hat er dir das Geld zurückgezahlt?« Ich gebe einen erschrockenen Laut von mir und bleibe wie angewurzelt stehen. Verdammt, sie hat recht.
»Nein, hat er nicht«, stelle ich empört fest und kann es nicht fassen. Seit einer Ewigkeit habe ich nicht mehr an das Geld gedacht. Ich bin ja eine schöne Geschäftsfrau, das muss ich schon sagen. Mist! Ich überschlage kurz im Kopf meine finanzielle Situation und zücke dann mein Handy, um mich bei Norbert wieder gesundzumelden.
»Wurde auch Zeit«, brummelt er in den Hörer und fügt hinzu: »Wir vermissen dich, Kleine.« Sofort schießen mir bei diesen Worten die Tränen in die Augen. Na ja, ich bin halt ein bisschen sehr empfindlich zur Zeit. Ist ja auch kein Wunder.
»Ich euch auch. Teil mich so oft ein wie möglich, ich habe einen kleinen finanziellen Engpass«, bitte ich ihn noch, bevor ich auflege.
»Engpass?«, fragt Loretta entsetzt. »Ich dachte, du sparst auf diese Gelegenheit hin, seit du fünfundzwanzig bist.«
»Dreiundzwanzig«, verbessere ich sie. »Ich kann doch meinem Chef schlecht sagen, dass ich Geld brauche, um meinen eigenen Laden aufzumachen.«
»Auch wieder wahr«, gibt sie zu und läuft mit einem Aufschrei auf ihren Wagen zu, unter dessen Scheibenwischer unübersehbar ein Zettel im Wind flattert. »Verdammter Mist«, flucht sie und stopft das Knöllchen wütend in ihre Handtasche.
»Wieso hast du nicht einfach …«, … einen Parkschein gezogen, will ich fragen, aber ihr Blick bringt mich vorzeitig zum Schweigen. »Schon gut.«
Wenige Minuten später setzt Loretta mich vor meiner Haustüre ab und verspricht, sich noch heute in die Verhandlung mit dem Vermieter zu stürzen.
»Verlass dich ganz auf mich, die werden uns nicht übers Ohr hauen. Wäre gut, wenn du auch so bald wie möglich eine grobe Kostenkalkulation für die Renovierung machen könntest, damit ich was in der Hand habe.«
»Na klar, mache ich«, verspreche ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank, dass du mich aus dem Bett geschmissen hast.«
»Keine Ursache! Luzie?«, fragt sie, als ich schon aus dem Auto gestiegen bin.
»Ja?«
»Ich bin so froh, dass du wieder Pläne machst. Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht, weißt du?« Ich schlucke schwer und sehe gerührt auf meine Freundin herunter.
»Ja, ich weiß.
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