Zauberkusse
kreischt Thekla empört auf.
»Wie genau lautete der Zauber, den du über Gregor verhängt hast«, frage ich dazwischen, bevor sie Loretta an die Gurgel gehen kann. Sie sieht mich ein wenig beleidigt an, weil ich so wenig Mitgefühl für ihre Situation aufzubringen scheine. Aber ich habe im Moment ganz andere Sorgen.
»Dass er all sein Geld verliert. So wolltest du es doch«, erwidert sie kurz und ich lasse mich in meinen Stuhl zurücksinken, während sie fortfährt, ihr Schicksal zu verfluchen:
»Was für ein Unglück! Ein solches Unglück!« Unterdessen rast es in meinem Kopf. Thekla hat Gregor verflucht. Okay, ich gebe ja zu, dass das meine Idee war. Aber ich war ja auch wütend. Verletzt. Total unzurechnungsfähig. Und mal ganz selbstsüchtig gedacht: Wie soll ich jemals an meine achttausend Euro kommen, wenn sein ganzes Geld flöten geht?
»Du musst den Fluch aufheben«, sage ich so beiläufig wie möglich in Theklas Richtung, aber die schüttelt nur betrübt ihr Haupt und sagt:
»Wozu? Das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen. Mein schöner Wohnwagen. Nur noch Schrott.«
Nachdem wir Thekla zu ihrem Schrebergarten zurückgefahren haben, sitze ich nachdenklich neben Loretta auf dem Beifahrersitz ihres Wagens.
»Ähm, du«, beginne ich gedehnt, »ich wollte dich noch mal was fragen.« Überrascht sieht sie mich an.
»Was ist denn mit dir los? Du kündigst doch sonst auch nicht an, wenn du was fragen willst. Du fragst einfach. Also, was ist los? Raus damit.«
»Mir macht dieser ganze Zauberkram langsam ein bisschen das Leben schwer«, beginne ich und zupfe nervös an meinen Fingernägeln herum. »Irgendwie habe ich mich da glaube ich ein bisschen reingesteigert. Könntest du mir vielleicht noch mal sagen, dass das alles Quatsch ist und dass du nicht daran glaubst?« Als ich wieder zu ihr hochgucke, bemerke ich, wie ein leichtes Lächeln die Lippen meiner Freundin umspielt. Sie wiegt ein wenig den Kopf nach links und rechts und meint:
»Tja, ganz so sicher bin ich mir meiner Sache da auch nicht mehr.« Überrascht reiße ich die Augen auf.
»Wie meinst du das?«
»Ich meine damit, dass es möglicherweise doch Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man weder erklären noch belegen kann. Aber das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass es sie nicht gibt. So, wir sind da. Raus mit dir, ich habe es eilig.« Sie schmeißt mich vor meinem Haus aus dem Auto und fährt fröhlich winkend davon, während ich ihr konsterniert hinterhersehe. Das war ja keine große Hilfe. Langsam erklimme ich die achtundsiebzig Stufen bis zu meiner Wohnung. Im dritten Stock angelangt höre ich über mir ein lautes Poltern sowie Frau Saalbergs schrille Stimme. Ich beschleunige meine Schritte, nehme immer zwei Stufen auf einmal und sehe Sekunden später meine Nachbarin in ihrem unvermeidlichen Nicki-Trainingsanzug und mit Birkenstocklatschen an den Füßen mit Fäusten auf meine Wohnungstür einhämmern.
»Frau Kramer, wenn Sie diesen Krach nicht sofort abschalten, dann rufe ich die Polizei«, brüllt sie gegen Jon Bon Jovi an, der in meiner Wohnung lautstark von einem Bett aus Rosen singt. Mit einem Satz bin ich bei Frau Saalberg und lege ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter:
»Ich bin hier«, mache ich sie auf mich aufmerksam, woraufhin sie erschrocken zusammenzuckt und sich theatralisch ans Herz greift.
»Sie bringen mich noch mal ins Grab«, schimpft sie gleich darauf los. »Was ist das für ein Lärm in Ihrer Wohnung? Und das, obwohl Sie gar nicht zu Hause sind. Na, mit uns kann man das ja machen, nicht wahr? Nicht mehr lange, und ich hätte die Polizei geholt.«
»Es tut mir leid«, beeile ich mich zu sagen und will gerade den Schlüssel ins Schloss stecken, als wie von Geisterhand meine Wohnungstür aufschwingt. In Boxershorts und T-Shirt steht Gregor vor uns und mampft eine Banane.
»Da bist du ja wieder«, meint er zärtlich und nickt Frau Saalberg grinsend zu: »Morgen.«
»Oh«, meint diese spitz und wirft mir einen vielsagenden Blick unter erhobenen Augenbrauen zu, »ist er wieder da?« Ich nicke, während ein unbehagliches Gefühl meine Wirbelsäule hinaufwandert. »Na, dann wollen wir doch mal sehen, für wie lange. Sie, machen Sie gefälligst die Musik leiser«, herrscht sie Gregor an, dessen Grinsen ob dieses barschen Tons ein wenig verrutscht. Dennoch trollt er sich gehorsam und dreht Jon Bon Jovi auf eine erträgliche Lautstärke herunter. Gerade will ich durch die Tür in meine Wohnung
Weitere Kostenlose Bücher