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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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immer dunkler.
    Die Laternen brannten in immer größeren Abständen und standen auch immer weiter auf den Grundstücken. Bellende Hunde drohten ihnen hinter Hecken oder aus umzäunten Höfen. Die Straßen hier waren größer, und die Gehwege bestanden aus Schotter. Als Brashen an Altheas nackte Füße dachte, zuckte er unwillkürlich mitleidig zusammen. Aber sie selbst hatte bisher kein Wort dazu gesagt.
    In dem Schweigen und der Dunkelheit wuchs die Trauer um seinen toten Kapitän in ihm. Mehr als einmal blinzelte er eine Träne weg. Gegangen. Kapitän Vestrit war von ihm gegangen und mit ihm Brashens zweite Chance in seinem Leben. Er hätte besseren Nutzen aus all dem ziehen sollen, was der alte Händler ihm angeboten hatte, als er noch lebte. Er hätte nicht einfach davon ausgehen sollen, dass die helfende Hand, die er ihm hinstreckte, immer dasein würde. Nun, jetzt musste er sich selbst seine dritte Chance erarbeiten. Er ließ seinen Blick kurz über das Mädchen streifen, das sich an seinen Arm klammerte.
    Auch sie würde ihren eigenen Weg gehen müssen. Entweder das oder das Schicksal akzeptieren, das ihre Familie ihr zudachte. Er vermutete, dass sie einen jüngeren Sohn irgendeiner Händlersippe finden würden, der bereit war, sie trotz ihres bedenklichen Rufs zu heiraten. Vielleicht sogar sein eigener kleiner Bruder. Er glaubte zwar nicht, dass Cerwin Altheas starkem Willen standhalten konnte, aber das Vermögen der Trells würde sich sehr gut mit dem der Vestrits vereinen.
    Allerdings fragte er sich, wie Altheas Abenteuerlust sich mit Cerwins eingefleischtem Traditionalismus vertragen würde.
    Er grinste und fragte sich unwillkürlich, wen von beiden er mehr bedauerte.
    Er war schon früher im Haus der Vestrits gewesen, aber immer bei Tag und stets wegen irgendwelcher Angelegenheiten, die das Schiff betrafen und die er mit dem Kapitän besprechen musste. In der Nacht kam ihm der Weg zu Altheas Haus länger vor. Sie ließen jetzt sogar die schwachen Geräusche des Nachtmarktes hinter sich und gingen an Hecken mit blühenden, duftenden Blumen vorbei. Ein beinahe unheimlicher Friede erfüllte Brashen. Heute waren viele Dinge zu Ende gegangen. Einmal mehr trieb er frei und ohne Halt herum und konnte sich nur auf sich selbst verlassen. Er hatte keine Verpflichtungen, keine Termine. Keine Mannschaft, die er überwachen musste, keine Fracht, die zu entladen war. Er musste nur sich selbst durchfüttern. War das wirklich so schlecht?
    Das Anwesen der Vestrits lag weit abseits von dem öffentlichen Fußweg. Im Garten und auf dem Grundstück gab es reichlich Insekten und Frösche, die in der Sommernacht lärmten. Sie erzeugten das einzige andere Geräusch neben dem Knirschen seiner Stiefel, als er den Kiesweg der Auffahrt hinaufging. Als er vor dem weißen Stein des Eingangs stand, vor der vertrauten Tür, vor der er manchmal gewartet hatte, bis man ihn wegen einer Schiffsangelegenheit hatte eintreten lassen, schnürte ihm die Trauer plötzlich die Kehle zu. Niemals mehr, dachte er.
    Dies hier würde das letzte Mal sein, dass er vor dieser Tür stand.
    Nach einem Moment spürte er, dass Althea seinen Arm nicht losließ. Hier, fern von den engen Straßen und den Geschäften, war sie dem Mondlicht ausgesetzt. Ihre nackten Füße waren schmutzig, ihr Kleid zerrissen. Die Spitzenschleife, mit der sie ihr Haar zusammengebunden hatte, hatte sich längst gelöst, jedenfalls zur Hälfte. Sie ließ plötzlich seinen Arm los, richtete sich auf und seufzte schwer.
    »Danke, dass du mich nach Hause gebracht hast«, sagte sie.
    Ihre Stimme klang so ruhig und formell, als habe er sie in einer Kutsche vom Händlerball nach Hause gefahren.
    »Gern geschehen«, erwiderte er ruhig. Als hätten diese Worte in dem rauhen Seemann den eleganten Gentleman geweckt, zu dem seine Mutter ihn einst erzogen hatte, verbeugte er sich tief vor ihr. Fast hätte er ihre Hand an seine Lippen gehoben, doch der Anblick seiner schäbigen Schuhe und der ausgefransten Saume seiner groben Baumwollhose erinnerten ihn daran, wer er jetzt war. »Wirst du es schaffen?«
    Es war halb eine Frage und halb eine Aufforderung.
    »Ich denke schon«, erwiderte sie ausweichend. Sie drehte sich um und legte die Hand auf den Riegel, als die Tür von innen heftig aufgerissen wurde.
    Kyle stand in der Öffnung. Er trug sein Nachthemd, war barfuss, und sein blasses Haar hing in wirren Locken um seinen Kopf. Aber er war so wütend, dass er dennoch kein bisschen lächerlich

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