Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
verbraucht hätte. Er war immer noch nüchtern. Das war die deprimierendste erste Nacht im Heimathafen, die er jemals verbracht hatte. Na ja, sie war ja fast vorbei. Er musste sie nur noch sicher nach Hause bringen, und dann konnte er die paar Stunden zwischen dem Sternenschein und der Morgendämmerung so verbringen, wie er wollte.
Er sah sich auf der Straße um. Sie wurde von einigen wenigen Fackeln nur spärlich beleuchtet und war zu dieser späten Stunde so gut wie verlassen. Diejenigen, die noch trinken konnten, saßen in den Tavernen, und alle anderen in diesem Viertel lagen irgendwo bewusstlos herum. Trotzdem gab es vielleicht ein paar Rauhbeine, die hier herumlungerten und auf die letzten Münzen eines betrunkenen Seemannes setzten. Es war klug, vorsichtig zu sein, vor allem mit Althea im Schlepptau.
»Hier entlang«, sagte er und versuchte, rasch mit ihr voranzuschreiten. Aber sie stolperte beinahe augenblicklich.
»Bist du so betrunken?«, fragte er wütend, bevor er seine Zunge im Zaum halten konnte.
»Ja«, gab sie mit einem kleinen Rülpser zu. Sie blieb so abrupt stehen, dass er zunächst glaubte, sie würde auf dem Bürgersteig zusammenbrechen. Stattdessen riss sie sich erst die eine und dann die andere ihrer hochhackigen Riemensandalen vom Fuß.
»Und diese verdammten Dinger sind auch nicht gerade hilfreich!«
Sie warf sie hinaus auf die dunkle Straße. Dann richtete sie sich wieder auf und nahm seinen Arm. »Jetzt können wir gehen.«
Barfuss kam sie wesentlich besser voran, das musste er zugeben. Er grinste in der Dunkelheit vor sich hin. Auch nach all den Jahren, die er jetzt schon auf sich allein gestellt war, hatte er trotzdem noch etwas vom großbürgerlichen Trell in sich. Er schüttelte sich unwillkürlich bei der Vorstellung, wie unschicklich es für eine Händlerstochter war, barfuss durch die Stadt zu laufen. Nun, in Anbetracht ihres Gesamtzustands bezweifelte er allerdings, dass ihre fehlenden Schuhe das Erste waren, was man bemerken würde. Und er hatte nicht vor, sie so über den Markt zu führen. Er würde die weniger belebten Straßen benutzen und hoffen, dass sie dort niemandem begegneten, der sie in der Dunkelheit erkennen konnte. Das zumindest schuldete er dem Andenken von Ephron Vestrit.
Aber als sie an eine Kreuzung kamen, zog sie an seinem Arm und steuerte auf den hell erleuchteten Markt zu. »Ich bin hungrig«, verkündete sie. Es klang sowohl erstaunt als auch anklagend, als wäre er schuld daran.
»Zu schade. Ich bin pleite«, log er und versuchte sie wegzuziehen.
Sie starrte ihn misstrauisch an. »Du hast deinen ganzen Lohn so schnell versoffen? Bei Sas Arsch, Mann, ich wusste, dass du im Hafen ein Hallodri bist, aber ich hätte nicht gedacht, dass du dein Geld so schnell verjubeln kannst.«
»Ich hab’s für Huren ausgegeben«, fügte er verärgert hinzu.
Sie musterte ihn im flackernden Licht der Fackeln. »Ja, das trau ich dir zu«, meinte sie. Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt wohl nichts, was du nicht tun würdest, Brashen Trell?«
»Nicht viel jedenfalls«, stimmte er ihr kühl zu, entschlossen, dieses Gespräch zu beenden. Wieder zog er an ihrem Arm, aber sie widersetzte sich.
»Viele Kneipen geben mir Kredit. Komm schon. Ich bezahle auch für dich.«
Jetzt klang sie nicht mehr anklagend, sondern überschwenglich.
Er entschloss sich für den direkten Weg. »Althea. Du bist betrunken und siehst schauderhaft aus. In deinem Zustand kannst du dich nirgends blicken lassen. Komm jetzt. Ich bringe dich nach Hause.«
Sie gab den Widerstand auf und ließ sich fügsam über die halbdunkle Straße führen. Sie kamen in eine Gegend mit kleineren Geschäften, von denen einige sehr zwielichtigen Handel betrieben; andere dagegen waren einfach nicht fähig, die hohen Mieten auf dem Nachtmarkt zu zahlen. Dämmrige Laternen leuchteten draußen an den Läden, die nicht geöffnet hatten. Tätowierungsgeschäfte, Weihrauch-und Drogenläden und solche, die den eher ungewöhnlichen Gelüsten des Fleisches dienten. Er war froh, dass die Geschäfte heute Nacht eher dürftig gingen.
Gerade als er dachte, dass die langen Mühen dieser Nacht für ihn endlich vorbei waren, hörte er, wie Althea zitternd Luft holte. Sie weinte, wenn auch lautlos.
»Was ist los?«, fragte er erschöpft.
»Jetzt, wo mein Vater tot ist, wird niemand jemals wieder stolz auf mich sein.«
Sie schüttelte den Kopf und wischte sich die Augen mit dem Ärmel. Ihre Stimme klang erstickt, als sie
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