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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bemerkte sie, als rede sie mit sich selbst, »sind immer mit ihrer starren Sicht der Dinge zufrieden.«
    Die anderen begannen allmählich, Maulkins Führerschaft in Frage zu stellen, das wusste sie. Aber nicht sie selbst. Es stimmte, dass seine Gedanken in letzter Zeit noch unzusammenhängender waren als gewöhnlich. Und es stimmte auch, dass er in seinen Träumen merkwürdig trompetete, während der kurzen Pausen, die er ihnen gestattete, und dass er mehr mit sich selbst als mit seinem Gefolge redete.
    Aber genau die Dinge, die die anderen beunruhigten, waren die Anzeichen, die Sheeva davon überzeugten, dass Maulkin sie richtig führte. Je weiter sie ihm nach Norden folgten, desto überzeugter wurde sie, dass er wirklich einer von denen war, der die alten Erinnerungen in sich trug. Sie beobachtete ihn jetzt. Seine großen, kupferfarbenen Augen wurden von den milchigen Lidern geschützt, als er seine ganze Länge durch einen Knoten schlang, sich immer und immer wieder an sich selbst rieb, bis seine goldenen, falschen Augen glänzten. Einige der anderen sahen verächtlich zu, als glaubten sie, dass Maulkin seine Sinne nur zu seinem eigenen Vergnügen schärfte. Shreeva beobachtete ihn gierig. Wenn der Rest des Knäuels nicht so intensiv zugesehen hätte, dann hätte sie es vielleicht gewagt, sich zu ihm zu gesellen, seine Länge mit ihrer zu umschlingen und zu versuchen, die Erinnerungen zu teilen, die er suchte.
    Stattdessen zog sie unauffällig mehr Sole in ihr halbgeöffnetes Maul und ließ es durch die Kiemen austreten. Sie spürte den merkwürdigen Geschmack dieser neuen Sole. Sie enthielt neue Salze, deren Intensität beinahe brannte. Sie schmeckte auch das Salz von Maulkins Körper, als er sich energisch an sich selbst rieb.
    Die Lider ihrer eigenen Augen hoben sich und verdeckten ihre Sicht. Einen Augenblick träumte sie, und in diesem Moment war die Leere die Fülle, und sie schwebte frei darin.
    Bevor sie sich kontrollieren konnte, warf sie den Kopf zurück und trompetete triumphierend. »Der Weg ist klar!«, rief sie und wurde sich erst dann ihres eigenen Schreis bewusst. Die anderen beobachteten sie jetzt mit derselben Anspannung, wie sie Maulkin betrachteten. Sie ließ ihre Halskrause verwirrt sinken. Maulkin schoss auf sie zu und wand plötzlich seinen ganzen Körper um den ihren. Seine Halskrause stand in wilder Aggression ab und gab Gifte ab, die sie sowohl betäubten als auch berauschten. Er packte sie mit ungeheurer Stärke, rieb seinen Moschus gegen ihre Schuppen, überschwemmte ihre Sinne mit halbbewussten Erinnerungen, die ihn lockten. Dann ließ er sie abrupt los und löste sich mit einem Peitschenschlag seines Körpers ganz von ihr. Langsam und benommen sank sie auf den Boden und rang nach Luft.
    »Sie teilt es!«, erklärte Maulkin seinem Gefolge. »Sie sieht und ist mit meinen Erinnerungen verbunden. Mit unseren Erinnerungen. Komm, Shreeva, erhebe dich und folge mir. Die Zeit der Sammlung ist nah. Folge mir zur Wiedergeburt.«

9. Eine Fügung des Schicksals
    Das Knirschen von beschuhten Füßen auf den sandigen Felsen alarmierte ihn. Trotz seiner Jahre der Blindheit hob er den Kopf und richtete den Blick seiner Augen in die Richtung des Geräusches. Wer auch immer dort kam, machte kein Geräusch bis auf die Schritte. Es war kein Kind. Kinder gingen leichter, und außerdem kamen sie immer in Gruppen, rannten an ihm vorbei, schrien ihm Unflätigkeiten zu und forderten sich gegenseitig heraus. Sie hatten Steine nach ihm geworfen, bis er gelernt hatte, ihnen nicht mehr auszuweichen. Wenn er sie stoisch ertrug, langweilten sie sich bald und suchten sich kleinere Krabben oder Seesterne, die sie stattdessen quälen konnten. Außerdem taten die Steine nicht sehr weh, und die meisten trafen ihn nicht einmal. Die meisten jedenfalls.
    Er kreuzte die Arme vor seiner vernarbten Brust, aber es kostete ihn einige Willenskraft. Wenn man einen Hieb fürchtet und nicht wissen kann, aus welcher Richtung der Schlag kommt, möchte man das Gesicht schützen, selbst wenn alles, was davon übrig ist, ein Mund, eine Nase und die splitternden Löcher sind, die ein Beil aus den Augen gemacht hat.
    Die letzte Welle hätte ihn fast erreicht. Manchmal träumte er von einem gewaltigen Sturm, einem, der ihn von den Felsen und dem Sand heben und ihn hinaus auf See tragen würde. Noch besser wäre einer, der ihn nur beinahe anheben würde. Einer, der ihn gegen die Felsen schmettern würde, ihn in Planken, Masten und kleine

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