Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
anhielt. Für einen Penny bekam sie ein grobes Stück Papier, einen Kohlestift und das Versprechen, dass die Nachricht noch vor Sonnenuntergang zugestellt wurde. Sie kritzelte hastig eine Notiz für ihre Mutter darauf, wusste aber nicht mehr zu schreiben, als dass sie sich Sorgen um das Schiff machte, weil die Viviace unruhig und ruhelos wirkte. Sie erbat nichts für sich selbst; sie wollte nur, dass ihre Mutter die Viviace besuchte und das Schiff ermunterte, offen zu ihr zu sprechen und die wahre Quelle ihres Unwohlseins zu enthüllen. Obwohl sie wusste, dass man es als überspannt dramatisch ansehen würde, erinnerte sie ihre Mutter an das traurige Schicksal des Paragon und schrieb, sie hoffe, dass ihr Familienschiff ein solches Los niemals teilen müsse. Dann las Althea ihre Nachricht noch einmal durch und runzelte die Stirn, als sie merkte, wie hysterisch sie klang. Aber es war das Beste, was sie in ihrer Lage tun konnte. Ihre Mutter war ein Mensch, der zumindest hingehen und selber nachsehen würde. Sie versiegelte die Botschaft mit Siegelwachs und einem undeutlichen Abdruck ihres Rings und schickte den Jungen damit auf den Weg.
Nachdem das erledigt war, hob sie den Kopf und sah sich um.
Sie war unwillkürlich in die Regenwildstraße eingebogen. Dieses Viertel der Stadt hatte ihrem Vater und ihr schon immer am besten gefallen. Wenn sie ihre Geschäfte abgewickelt hatten, waren sie fast immer unter irgendeinem Vorwand Arm in Arm durch diese Straße spaziert und hatten sich daran erfreut, sich gegenseitig neue exotische Waren zu zeigen. Als sie das letzte Mal hier gewesen waren, verbrachten sie beinahe den ganzen Nachmittag in einem Kristallladen. Der Händler präsentierte ihnen eine neue Art von Windspiel. Der leiseste Windhauch ließ die Röhren erklingen, und sie spielten nicht etwa zufällig, sondern eine schwer fassbare und endlose Melodie, die so fein war, dass ein Mensch sie nicht nachsummen konnte, und einem anschließend merkwürdig im Ohr blieb. Er hatte ihr einen kleinen Beutel mit kandierten Veilchen und Rosenblüten gekauft und dazu ein Paar Ohrringe, die wie Fächerfische aussahen. Sie hatte ihm geholfen, einige parfümierte Edelsteine für ihre Mutter zum Geburtstag auszusuchen und war dann mit ihm zu einem Silberschmied gegangen, der sie in silberne Ringe fassen sollte. Es war ein außergewöhnlicher Tag gewesen, wie sie all diese kleinen Läden durchstöbert hatten, die die Waren des Regenwildvolkes feilboten.
Man behauptete, dass mit den Wassern des Regenwildflusses auch Magie hinunterströmte. Und sicher waren die Waren, die von den Regenwildfamilien in die Stadt geschickt wurden, wunderbar mit ihr behaftet. Mochten einem auch noch so finstere Gerüchte über die Siedler zu Ohren kommen, die beschlossen hatten, in der ersten Siedlung am Regenwildfluss zu bleiben, ihre Handelsgüter jedenfalls spiegelten nur Wunder wider. Von der Verga-Familie kamen Güter mit dem Odeur des Alters. Fein gewobene Teppiche, die Lebewesen zeigten, die nicht ganz menschlich waren, mit lavendel-oder topasfarbenen Augen.
Juwelen, die aus einem Metall gemacht waren, dessen Herkunft unbekannt war, und dazu noch in wunderlichen, fremdartigen Fassungen steckten. Entzückend getöpferte Vasen, die sowohl elegant aussahen, als auch wundervoll dufteten. Der Soffron-Clan fertigte Perlen in den tiefsten Orange-, Amethyst-und Blautönen und Gefäße aus kühlem Glas, das sich niemals erwärmte und benutzt werden konnte, um Wein, Früchte oder Sahne zu kühlen. Von anderen stammte die Kwazi-Frucht, deren Rinde ein Öl abgab, das selbst eine tiefe Wunde betäubte und dessen Fruchtfleisch ein Gegengift war, dessen Wirkung tagelang anhielt. Die Spielzeugläden faszinierten Althea am meisten. Dort fand man Puppen, deren feuchte Augen und weiche, warme Haut die eines wirklichen Kindes imitierten. Oder Aufziehspielzeug, dessen Mechanik so fein abgestimmt war, dass es stundenlang lief; Kissen, die mit Kräutern gefüllt waren, die süße Träume versprachen, und wunderschön behauene Steine, die in einem kühlen, inneren Licht erstrahlten, das Alpträume verhindern sollte. Die Preise dieser Preziosen waren selbst in Bingtown beachtlich und steigerten sich zu astronomischen Summen, sobald sie in andere Häfen verschifft wurden. Ephron Vestrit weigerte sich, solches Spielzeug zu kaufen, allerdings nicht wegen des enormen Preises. Als Althea ihn einmal hartnäckig gefragt hatte, schüttelte er nur den Kopf. »Du kannst keine Magie
Weitere Kostenlose Bücher