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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wurde am Hafeneingang gefunden, wo er kieloben trieb. Zunächst wusste niemand, wer der Havarist war. Nur an dem silbrigen Holz der Hülle sah man, dass es sich um ein Zauberschiff handeln musste. Freiwillige in Rettungsbooten zogen das Wrack mit Seilen an den Strand und verankerten es dort, bis eine niedrige Welle es auf Grund setzte und die verheerenden Neuigkeiten enthüllte, die es trug. Als die Flut zurückwich, lag da der Paragon im Schlick. Seine Masten waren von der Vernichtungswut eines gewaltigen Sturms weggefegt worden, aber die schlimmste Wahrheit fand sich an Deck. Die letzte Ladung war so fest vertäut und mit Netzen gesichert, dass kein Sturm sie hatte losreißen können. Und in diesen Netzen hingen Uto Ludlock und sein Sohn Kerr, beziehungsweise das, was die Fische von ihnen übriggelassen hatten. Der Paragon hatte sie also doch noch nach Hause gebracht.
    Das Schrecklichste jedoch daran war vielleicht, dass das Schiff erwacht war. Der Tod von Uto und Kerr hatte die Zahl von drei Leben erfüllt, die auf ihm enden mussten. Als das Wasser soweit zurückwich, dass die Galionsfigur sichtbar wurde, wimmerte das bärtige Angesicht eines geschnitzten wilden Kriegers laut mit einer hohen Jungenstimme: »Mutter! Mutter, ich bin nach Hause gekommen!«
    Setre Ludlock hatte nur kurz aufgeschrien und war in Ohnmacht gefallen. Sie wurde nach Hause getragen und weigerte sich seitdem, auch nur einen Fuß auf den Pier zu setzen, wo der Paragon schließlich vertäut worden war. Das verlassene und verschreckte Schiff war untröstlich, schluchzte und schrie tagelang. Zuerst empfanden die Menschen Mitleid und versuchten Paragon zu trösten. Der Kendry wurde fast eine ganze Woche neben ihm vertäut, weil man herausfinden wollte, ob das ältere Schiff den Paragon vielleicht zu beruhigen vermochte. Doch stattdessen wurde der Kendry selbst nervös und schwierig und musste schließlich weggebracht werden.
    Und Paragon weinte weiter. Es hatte etwas Entsetzliches an sich, einen wilden, bärtigen Krieger mit muskulösen Armen und haariger Brust wie ein Kind schluchzen und nach seiner Mutter rufen zu hören. Von Sympathie schlug die Stimmung der Menschen in Furcht um und schließlich in eine Art Zorn.
    Damals verlieh man dem Paragon einen neuen Namen: der Pariah , der Ausgestoßene. Keine Schiffsmannschaft wollte neben ihm anlegen; das bringt Unglück, da waren sich die Seeleute einig, und man überließ ihn sich selbst. Die Taue, mit denen er am Pier befestigt war, wurden weich von Schimmel und schwer von Muscheln. Der Paragon selbst verstummte, bis auf unberechenbare Ausbrüche von Flüchen und Wehklagen.
    Als Setre Ludlock jung starb, ging der Paragon in den Besitz der Gläubiger der Familie über. Für sie war er nur ein Stein am Bein, ein Schiff, das nicht gesegelt werden konnte und einen teuren Platz im Hafen belegte. Bald bot man widerstrebend einigen Cousins eine teilweise Partnerschaft an dem Schiff an, vorausgesetzt, sie konnten das Schiff dazu bewegen zu segeln.
    Zwei Brüder, die Zwillinge Gable und Sedge, erhoben schließlich beide Anspruch auf das Schiff. Es gab einen heftigen Wettkampf, aber Gable war der ältere, wenn auch nur um ein paar Minuten. Er beanspruchte das Schiff für sich und schwor, dass er das Familienschiff wieder flottmachen konnte.
    Er redete monatelang mit dem Paragon und schien schließlich eine Art Beziehung zu ihm aufgebaut zu haben. Den anderen erklärte er, dass dieses Schiff wie ein verängstigtes Kind sei, das am besten auf etwas Ermunterung ansprach. Diejenigen, die die Familienschulden auf das Lebensschiff übernommen hatten, erhöhten Gables Kredit und murmelten etwas davon, gutes Geld hinter schlechtem herzuwerfen. Trotzdem konnten sie der Hoffnung nicht widerstehen, dass sie ihre Verluste möglicherweise wieder ausgleichen würden. Gable heuerte eine Mannschaft und Arbeiter an und bezahlte unerhörte Löhne, um Seeleute dazu zu bewegen, sich das Unglücksschiff überhaupt aus der Nähe anzusehen. Es dauerte fast ein ganzes Jahr, bis er den Paragon wieder flottgemacht und eine komplette Mannschaft für das Schiff angeheuert hatte. Alle gratulierten ihm und sagten, dass er das Schiff gerettet hätte. In den Tagen, bevor er lossegelte, erwarb sich der Paragon den Ruf, zwar schüchtern zu sein, aber dabei höflich, ein Schiff, das nur wenig Worte machte, aber manchmal auf eine Art lächelte, als wolle es jedem, der es sah, das Herz erweichen. An einem strahlenden Frühlingsmorgen verließen

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