Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
unauffällig seine Weste. Der Wind spielte mit der Feder an seinem Hut und wehte durch seine glänzenden schwarzen Locken. Kurz gesagt, er sah blendend aus und zog einen großen Teil seiner Macht aus dem Wissen, dass sowohl Frauen als auch Männer von seiner Erscheinung beeindruckt waren. Er war groß, muskulös und gut proportioniert. Der Schnitt seines Mantels betonte seine breiten Schultern, seine ausladende Brust und den flachen Bauch. Sein Gesicht gefiel ihm ebenfalls. Er wusste, dass er ein gutaussehender Mann war.
    Er hatte eine hohe Stirn, ein festes Kinn und eine gerade Nase.
    Seine Lippen besaßen einen fast vornehmen Schwung, und sein Bart war modisch spitz, die Enden sorgfältig gewachst. Das einzige, was ihm missfiel, waren seine Augen. Es waren die seiner Mutter, wässrig und blau. Wenn er ihrem Blick in einem Spiegel begegnete, glaubte er, dass sie ihn ansah: verheult und verzweifelt über seinen ausschweifenden Lebenswandel. Auf ihn wirkten sie wie die leeren Augen eines Trottels, und sie schienen ihm überhaupt nicht zu dem gebräunten Gesicht zu passen. Bei einem anderen Mann hätten die Leute sicher gesagt, er habe sanfte blaue Augen, fragende Augen. Kennit bemühte sich, einen eisigen blauen Blick zu pflegen, aber er wusste, dass seine Augen selbst dafür zu blass waren. Er unterstützte seine Bemühungen mit einem amüsierten Lächeln, als er den Blick auf den Anderen richtete.
    Das Wesen schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Es erwiderte den Blick beinahe aus derselben Höhe. Sie waren fast gleich groß. Und es war merkwürdig beruhigend, herauszufinden, wie genau die Legenden zutrafen. Die Finger und Zehen mit den Schwimmhäuten, die offensichtliche Gelenkigkeit der Glieder, die flachen Fischaugen in ihren knorpeligen Höhlen und selbst die unauffällig geschuppte Haut, die die Kreatur überall dort bedeckte, wo Kennit es erwartet hatte. Der grobe, kahle Schädel war missgeformt und ähnelte weder dem eines Menschen noch dem eines Fisches. Der Kiefer war direkt unter seinen Ohrlöchern befestigt, und sein Maul war groß genug, um den Kopf eines Menschen zu verschlingen. Die dünnen Lippen verbargen nur unvollkommen die Reihe winziger scharfer Zähne. Seine Schultern schienen nach vorn zu fallen, aber diese Haltung verriet eher brutale Kraft als Unterwürfigkeit. Es trug ein Gewand, das wie ein Umhang aussah und von einem blassen Blau war. Das Gewebe war so fein, dass es kaum mehr Dichte hatte als ein Blütenblatt. Es umhüllte den Anderen auf eine Art, die an das Fließen von Wasser erinnerte. Ja, alles war so, wie er es gelesen hatte. Doch was er nicht erwartet hatte, war die Anziehung, die er empfand. Anscheinend hatte der Wind seine Nase getrogen. Diese Kreatur duftete wie ein Sommergarten, und ihr Atem hatte das feine Bukett eines seltenen Weines. In diesen unergründlichen Augen schien alle Weisheit zu schlummern. Plötzlich sehnte er sich danach, etwas Besonderes zu sein und sich der Beachtung des Wesens würdig zu erweisen. Er wollte es mit seiner Gutmütigkeit und seiner Intelligenz beeindrucken. Er sehnte sich danach, dass es gut von ihm dachte.
    Er hörte Gankis Schritte hinter sich. Einen Augenblick wurde der Andere abgelenkt. Der Blick der flachen Augen glitt vom nachdenklichen Kennit zu Gankis, und im selben Moment brach der Bann. Kennit wäre beinahe zusammengezuckt.
    Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und drückte das Hexenholz fest gegen seine Haut. Ob es nun erwacht war oder nicht, es schien zu funktionieren und hielt den Zauber der Kreatur ab. Da Kennit jetzt die Absicht des Anderen kannte, konnte er sich auch gegen diese Manipulation wehren. Selbst als das Wesen seinen Blick wieder auf ihn richtete, sah er den Anderen als das, was er war: ein kaltes und schuppiges Geschöpf der Tiefe. Es schien zu spüren, dass es seine Macht über ihn verloren hatte, denn als es die Lufttaschen hinter seinen Kiefern füllte und ihm seine Worte zubellte, glaubte Kennit einen Hauch von Sarkasmus in seiner Stimme zu erkennen.
    »Willkommen, Pilger. Die See hat deine Suche belohnt, wie ich sehe. Willst du mir ein Zeichen deines guten Willens geben und hören, wie das Orakel deine Funde deutet?«
    Die Stimme des Wesens knarrte wie ungeölte Türangeln, während es zischend und keuchend zu Kennit sprach. Er musste unwillkürlich die Mühsal bewundern, die das Wesen auf sich genommen hatte, als es die Sprache der Menschen erlernte. Aber seine härtere Seite tat es als eine servile

Weitere Kostenlose Bücher