Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
war.
Nach dem heißen Tag war der kühle Abendwind sehr willkommen. Selbst die gewöhnlichen Schiffe schienen miteinander zu plaudern, während sie sanft an ihren Piers knarrten. Der Himmel war klar, und der nächste Tag versprach schön zu werden. Althea stand in Viviace s Schatten und wartete. Sie dachte darüber nach, ob sie verrückt geworden war, dass sie ihr Herz an ein unmögliches Ziel gehängt hatte und es auch noch über die verärgert hervorgestoßenen Worte eines Mannes erreichen wollte. Aber was hatte sie sonst? Nur Kyles impulsiven Schwur und den Sinn ihres Neffen für Fairness. Nur ein Idiot würde glauben, dass diese Dinge genügten. Ihre Mutter hatte versucht, sie durch die Viviace zu erreichen. Möglicherweise bedeutete das, dass sie zu Hause eine Verbündete hatte. Möglicherweise. Althea wollte sich nicht darauf verlassen.
Sie legte lautlos eine Hand gegen den silbrig schimmernden Rumpf von Viviace. »Bitte, Sa«, betete sie. Aber ihr fielen keine weiteren Worte ein. Sie hatte selten gebetet. Es entsprach nicht ihrem Wesen, sich darauf zu verlassen, dass jemand anders ihr gab, was sie wollte. Ob die Große All-Mutter wohl die Worte von jemandem erhörte, der sie normalerweise ignorierte? Dann fühlte sie durch ihre Handfläche die herzliche Antwort von Viviace und fragte sich, ob es wirklich Sa gewesen war, die sie angerufen hatte. Vielleicht glaubte sie, wie die meisten Seeleute, die sie kannte, mehr an ihr Schiff als an eine göttliche Vorsehung.
»Er kommt«, flüsterte Viviace.
Althea drückte sich tiefer in den Schatten ihres Schiffes und wartete.
Sie hasste es, so herumzuschleichen, und sie hasste die kurzen, heimlichen Treffen mit ihrem Schiff. Aber nur so konnte sie auf Erfolg hoffen. Wenn Kyle ihre Pläne mitbekam, würde er alles tun, um sie zu vereiteln, dessen war sie sich sicher. Also stand sie hier, bereit, diese Pläne Wintrow preiszugeben, und das alles auf der Grundlage eines einzigen Blickes, den sie mit ihm gewechselt hatte. In diesem Moment hatte sie das Ehrgefühl ihres Vaters in dem Blick des Jungen erkannt. Und jetzt setzte sie alles auf ihren Glauben an ihn.
»Vergiss nicht, Junge, dass ich dich beobachte«, dröhnte Torgs unangenehme Stimme. Als diese Ankündigung von einer tiefen Stille beantwortet wurde, brüllte er: »Antworte gefälligst, Junge!«
»Ihr habt mir keine Frage gestellt«, erwiderte Wintrow ruhig.
Althea, die unten auf dem Pier stand, musste einräumen, dass ihr Neffe Mut hatte, wenn er auch nicht sehr klug war.
»Versuch, heute Nacht vom Schiff zu springen, dann trete ich dir in den Arsch, bis dein Rückgrat splittert«, drohte ihm Torg.
»Hast du mich verstanden?«
»Ich verstehe Euch«, antwortete Wintrow. Er klang sehr jung und sehr erschöpft. Althea hörte seine nackten Füße und das Geräusch, als sich jemand hinsetzte. »Ich bin zu müde zum Denken, ganz zu schweigen zum Reden«, sagte er.
»Bist du auch zu müde zum Zuhören?«, fragte das Schiff freundlich.
Althea hörte ein undeutliches Gähnen. »Wenn es dir nichts ausmacht, dass ich mitten in deiner Geschichte einschlafe.«
»Ich bin nicht die, die mit dir zu sprechen wünscht«, sagte Viviace leise. »Althea Vestrit wartet unten auf dem Pier. Sie hat dir etwas zu sagen.«
»Meine Tante Althea?«, fragte der Junge überrascht. Althea sah seinen Kopf an der Reling über ihr. Lautlos trat sie aus dem Schatten und blickte zu ihm auf. Von seinem Gesicht konnte sie nichts erkennen, es war nur eine dunkle Silhouette gegen den Abendhimmel. »Alle meinen, du bist einfach verschwunden«, bemerkte er ruhig.
»Das bin ich auch«, gab sie zu. Sie holte tief Luft und ging ihr erstes Risiko ein. »Wintrow, wenn ich dir ehrlich erzähle, was ich plane, kannst du darüber dann Stillschweigen bewahren?«
Er stellte ihr eine typisch priesterliche Gegenfrage. »Hast du etwas… etwas Falsches vor?«
Sie hätte über seinen Tonfall beinahe lachen müssen. »Nein. Ich werde deinen Vater nicht töten und mache auch sonst nichts Unüberlegtes.«
Sie zögerte, während sie das wenige abwog, das sie über den Jungen wusste. Viviace hatte ihr versichert, dass er vertrauenswürdig war. Sie konnte nur hoffen, dass das junge Schiff recht hatte. »Ich werde trotzdem versuchen, ihn auszutricksen. Aber das wird nicht funktionieren, wenn er meine Pläne kennt. Also werde ich dich bitten, sie als Geheimnis zu bewahren.«
»Warum willst du überhaupt jemandem von deinen Plänen erzählen?«, fragte er.
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