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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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denen ich so gut wie nichts gemein habe.
    Er nahm ein zerfleddertes Stück Tau und pflückte es auseinander, während er darüber nachdachte. Hinter ihm sagte Viviace ruhig: »Ich fand, dass deine Worte durchaus verdienstvoll waren.«
    Na wunderbar! Ein seelenloses Schiff, das von einer Macht belebt wurde, die von Sa kam oder auch nicht, fand seine Worte inspirierend. Fast im gleichen Moment, in dem Wintrow diesen unwürdigen Gedanken hatte, unterdrückte er ihn wieder. Aber es war zu spät. Er spürte das schmerzliche Vibrieren des Schiffes. Hatte er sich nicht gerade erst gesagt, dass er Bundesgenossen brauchte? Kaum eine Sekunde später stieß er den einzigen wirklichen Freund, den er hatte, heftig zurück. »Es tut mir leid«, sagte er ruhig, obwohl er wusste, dass er diese Worte nicht laut aussprechen musste, damit sie sie verstand.
    »Es liegt in der Natur von uns Menschen, dass wir unseren Schmerz weitergeben. Als wenn wir ihn nur dadurch loswerden könnten, dass wir jemand anderem einen genauso starken Schmerz zufügen.«
    »Ich habe das vorher schon erlebt«, stimmte Viviace tonlos zu.
    »Und du bist nicht allein in deiner Verbitterung. Die ganze Mannschaft befindet sich in Aufruhr. Kaum eine Menschenseele an Bord ist mit ihrem Schicksal zufrieden.«
    Er nickte. »Es hat sich zuviel geändert, und das zu schnell. Zu viele Männer sind entlassen worden, anderen wurde wegen ihres Alters die Heuer gekürzt. Es gibt zu viele neue Matrosen an Bord, die ihre Stellung in der Ordnung der Dinge suchen. Es wird eine Weile dauern, bis sie sich alle als Teil einer Mannschaft fühlen.«
    »Wenn überhaupt«, meinte die Viviace hoffnungslos. »Da gibt es die alte Mannschaft von Vestrit, Kyles Leute und die Neuen. So sehen sie sich selbst, und genauso benehmen sie sich auch. Ich fühlte mich auf merkwürdige Weise geteilt. Es ist schwer, Vertrauen zu schöpfen, und genauso schwer, sich zu entspannen und die Kontrolle dem… Kapitän zu überlassen.«
    Sie zögerte bei dem Titel, als ob sie Kyle in dieser Funktion nicht ganz anerkannte.
    Wintrow nickte schweigend. Er hatte diese Spannungen selbst empfunden. Einige von den Leuten, die Kyle entlassen hatte, waren ziemlich aufgebracht gewesen, und mindestens zwei andere hatten aus Protest den Dienst quittiert. Der letzte Vorfall hatte sich ereignet, als Kyle von einem alten Mann, der den Dienst quittierte, verlangt hatte, dass er ihm den goldenen Ohrring wiedergab, den ihm Kapitän Vestrit für seinen langjährigen Dienst auf der Viviace geschenkt hatte.
    Der Ohrring war wie die Galionsfigur der Viviace geformt und kennzeichnete ihn als wertvolles Mitglied der Mannschaft. Der alte Seebär hätte den Ring lieber über Bord geworfen, als ihn Kyle zu geben. Dann war er von Bord gestapft, seinen Seesack über die knochige Schulter geschlungen. Wintrow spürte, dass der alte Mann nirgendwo hingehen konnte, und es würde schwer für ihn werden, sich auf einem neuen Schiff zu beweisen, wo er sich gegen jüngere, beweglichere Matrosen durchsetzen musste.
    »Er hat ihn nicht wirklich ins Meer geworfen«, flüsterte Viviace kaum hörbar.
    Wintrow war sofort neugierig. »Nicht? Woher weißt du das?«
    Er stand auf, trat an die Reling und blickte auf die Galionsfigur hinunter. Sie lächelte ihn an.
    »Weil er später zurückgekommen ist und ihn mir gegeben hat. Er sagte, wir wären so lange zusammen gewesen, und wenn er schon nicht auf meinen Decks sterben dürfe, dann wünsche er, dass ich wenigstens ein Unterpfand für all seine Dienstjahre bekäme.«
    Diese Worte rührten Wintrow. Der alte Seemann hatte dem Schiff etwas gegeben, was allein schon vom Goldpreis her ein wertvolles Schmuckstück gewesen war. Und er hatte es Viviace freiwillig gegeben.
    »Was hast du damit gemacht?«
    Einen Moment wirkte sie beklommen. »Ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Er hat mir geraten, es zu schlucken. Das täten viele Zauberschiffe, meinte er. Natürlich nicht wahllos, sondern mit Geschenken, die große Bedeutung hätten. Die Schiffe schlucken sie und tragen so die Erinnerung an den Mann weiter, und zwar so lange sie leben.«
    Sie lächelte über Wintrows erstaunte Miene. »Also habe ich es getan. Es war nicht schwer, obwohl es sich merkwürdig anfühlte. Und ich bin… ich bin mir seiner gewahr, auf eine seltsame Art und Weise. Aber es kam mir in diesem Augenblick richtig vor.«
    »Ich bin sicher, dass es das war«, antwortete Wintrow. Und fragte sich gleichzeitig, wieso er so sicher

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