Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
lösen, und den Schneider tadelte, weil die Hose so schlecht saß. Sie bedauerte alle, die in Bingtown geboren worden waren und dort starben und in der Zwischenzeit den fluchbeladenen Handel ausübten, den ihre Vorfahren abgeschlossen hatten. Vielleicht war der schlimmste Teil dieser Abmachung der, dass sie alle Bingtown und die Hügel und Täler ringsum lieben gelernt hatten. Es war grün wie im Dschungel, die Erde war schwarz und fruchtbar, das Wasser in den Flüssen war kristallklar, und die Wälder strotzten nur so vor Wild. Gleichzeitig bot es ihnen mehr Reichtum als alles, was sich die seemüden und zerlumpten Einwanderer hätten träumen lassen, die als erste mutig genug gewesen waren, im Hafen von Bingtown zu ankern. Am Ende war der echte Vertrag geschlossen worden. Nicht mit dem Satrap, dem dieses Ufer nominell zwar gehörte, sondern mit dem Land selbst. Schönheit und Fruchtbarkeit hielten sich die Waage mit Krankheiten und Tod.
Und noch etwas gibt es da, musste sich Ronica eingestehen.
Es lag etwas Besonderes darin, sich einen Bingtown-Händler nennen zu dürfen. Darin, nicht nur all der Fremdartigkeit zu trotzen, die den Regenwildfluss herunterströmte, sondern ihn sein eigen nennen zu können. Die ersten Händler hatten versucht, ihre Siedlung an der Mündung des Regenwildflusses selbst zu errichten. Sie hatten ihre Häuser am Rand des Flusses errichtet und die Wurzeln der Pfahlbäume als Fundament für ihre Hütten benutzt. Von Haus zu Haus hatten sie Hängebrücken gespannt. Der steigende und fallende Fluss war unter ihren Böden hinweggerauscht, und die wilden Stürme hatten ihre Häuser des Nachts zum Schwanken gebracht.
Manchmal hatte die Erde selbst gebebt und gezittert, und dann strömte der Fluss plötzlich milchig und tödlich einher, einen Tag lang oder manchmal auch einen ganzen Monat.
Zwei Jahre lang hatten die Siedler dort ausgehalten, trotz Insekten und Fieber und dem reißenden Fluss, der alles vernichtete, was hineinfiel. Dennoch waren es nicht diese Strapazen gewesen, die sie schließlich vertrieben hatten, sondern die Merkwürdigkeiten. Die kleine Gruppe von Händlern war vom Tod und von Krankheiten nach Süden getrieben worden – davon und von den merkwürdigen Panikattacken, die Frauen plötzlich beim Teigkneten überfielen, oder den selbstzerstörerischen Amokläufen, die Männer beim Holzsammeln überkamen und sie dazu brachten, sich in den Fluss zu stürzen. Von den dreihundertsieben Familien der ursprünglichen Händlergemeinschaft überlebten nur zweiundsechzig die ersten drei Jahre. Selbst jetzt noch kündete die Spur von aufgegebenen Ortschaften zwischen Bingtown und der Mündung des Regenwildflusses von ihren vergeblichen Versuchen, sich fest niederzulassen. Schließlich hatten sie hier in Bingtown, an den Ufern der Bucht der Händler, einen ausreichenden Abstand zum Regenwildfluss und zu all dem gefunden, was mit seinen Wassern stromabwärts floss. Je weniger man von den Familien sprach, die sich entschlossen hatten, als Siedler am Regenwildfluss zu bleiben, desto besser. Die Regenwildnishändler waren Verwandte und gehörten zu all dem, was Bingtown ausmachte. Das akzeptierte Ronica. Dennoch…
»Davad?«
Sie beugte sich über Ephron und berührte sanft den Arm ihres alten Freundes. »Es tut mir leid. Meine Worte waren zu drastisch, und ich habe von Dingen gesprochen, die besser unerwähnt geblieben wären.«
»Es ist schon gut«, log er. Seine Stimme drang undeutlich zwischen den Fingern hindurch. Dann hob er das bleiche Gesicht und erwiderte ihren Blick. »Worüber wir Händler selbst unter uns nicht reden, wird bei den Emporkömmlingen ganz offen diskutiert. Ist Euch schon aufgefallen, wie wenige von ihnen ihre Frauen und Töchter mitgebracht haben? Sie kommen nicht her, um sich hier anzusiedeln. Sie kaufen Land, sicher, und sitzen in unserem Konzil und pressen Reichtum aus Bingtown heraus, aber dazwischen werden sie wieder nach Jamaillia zurückfahren. Dort werden sie heiraten, ihre Frauen lassen, dort werden ihre Kinder geboren, und dort werden sie auch ihr Alter verbringen und bloß einen oder zwei Söhne hierherschicken, um nach ihren Angelegenheiten zu sehen.«
Er schnaubte verächtlich. »Die Drei-Schiffe-Immigranten konnte ich respektieren. Sie sind hierhergekommen, und als wir ihnen ehrlich gesagt haben, welchen Preis dieser Zufluchtsort sie kosten würde, sind sie trotzdem geblieben. Aber diese Welle von Neuankömmlingen, die jetzt eintrifft, hofft nur,
Weitere Kostenlose Bücher