Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
doch für sie, oder nicht? Welches Recht hatte sie also, mehr von ihm zu erwarten?
Sie war schließlich nur eine Hure! Sie hatte einen verdammten Handel geschlossen.
Abrupt stand er auf und zog sich an. Nach einer Weile hörte sie auf zu weinen. Plötzlich drehte sie sich auf dem Bett um.
»Bitte«, flüsterte sie heiser. »Bitte, geht nicht. Es tut mir leid, dass ich Euer Missfallen erregt habe. Ich bin jetzt leise. Ich verspreche es Euch!«
Die Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme traf auf die Hoffnungslosigkeit in seinem Herzen. Wie Stahl auf Stahl. Er sollte sie umbringen. Er sollte sie sofort umbringen, statt ihr zu erlauben, solche Dinge zu ihm zu sagen. Stattdessen griff er in die Tasche seines Rocks. »Hier, das ist für dich«, sagte er und suchte nach Kleingeld. Geld würde sie beide daran erinnern, warum sie hier in diesem Zimmer zusammen waren. Aber das Schicksal spielte ihm einen Streich, denn da war nichts in seiner Tasche. Er hatte das Schiff zu überstürzt verlassen. Also würde er zur Marietta zurückgehen und Gold holen müssen, damit er Bettel bezahlen konnte. Das war so verdammt peinlich! Er wusste, dass die Hure ihn ansah und wartete. Was konnte unangenehmer sein, als mittellos vor einer Metze zu stehen, die man schon benutzt hatte?
Aber da, in der hintersten Ecke seiner Tasche, fühlte er etwas, etwas Winziges, das ihn unter den Fingernägeln piekste. Er riss es wütend los und dachte, es wäre ein Dorn oder ein verirrter Kiesel, doch stattdessen zog er den winzigen Ohrring aus dem Ohr des blauen Kätzchens hervor. Er hatte sich nie viel aus Rubinen gemacht. Aber für Etta würde er genügen. »Hier«, sagte er und drückte ihr den Ohrring in die Hand. »Verlass das Zimmer nicht«, fügte er hinzu. »Bleib hier bis morgen Abend. Ich komme wieder.«
Er verließ das Zimmer, bevor sie etwas sagen konnte. Es ärgerte ihn, denn Bettel würde ein kleines Vermögen dafür verlangen, das Zimmer und das Mädchen für ihn zu reservieren, und zwar eine ganze Nacht und noch einen ganzen Tag dazu. Soll sie doch, dachte er. Er wusste, was er zahlen musste. Und es würde ihn davor bewahren, vor Bettel eingestehen zu müssen, dass er nicht das Geld hatte, sie heute Abend zu bezahlen. Wenigstens diese Schande konnte er vermeiden.
Er polterte die Treppe hinunter und stürmte zur Tür hinaus.
»Ich will den Raum und das Mädchen für mich reserviert haben«, erklärte er Bettel, als er an ihr vorbeiging. Zu einer anderen Zeit hätte er vielleicht ihren verblüfften Gesichtsausdruck genossen. Er war schon ein ganzes Stück die Straße hinuntergegangen, als er fühlte, wie seine Geldbörse in seiner linken Tasche an seinen Schenkel schlug. Lächerlich. Er steckte sie doch sonst nie dort hinein! Kurz spielte er mit dem Gedanken, zu Bettel zurückzugehen und sie sofort zu bezahlen, aber dann entschied er sich dagegen. Wenn er jetzt zurückging und sagte, er habe es sich anders überlegt, würde er erst recht wie ein Narr wirken. Wie ein Dummkopf. Das Wort brannte sich in seine Gedanken ein.
Er ging mit weit ausholenden Schritten und versuchte, seinen eigenen Gedanken zu entkommen. Er musste sich bewegen. Als er die schlammigen Straßen entlangging, hörte er die piepsende Stimme an seinem Handgelenk. »Das war wahrscheinlich der einzige Schatz, der jemals von Anderland weggeschafft worden ist, und du hast ihn einer Hure geschenkt.«
»Und?«, fragte er und hob den Arm, um das kleine Gesicht zu sehen.
»Und? Vielleicht verfügst du doch über beides, über Glück und Verstand.«
Das winzige Gesicht schnitt eine Grimasse.
»Vielleicht.«
»Was meinst du damit?«
Aber das Hexenholz-Amulett sprach an diesem Abend nicht mehr, nicht einmal, als er mit dem Zeigefinger gegen das Gesicht tippte. Seine geschnitzten Züge blieben so bewegungslos und hart wie Stein.
Er ging zu Ivros Salon. Es war ihm gar nicht bewusst, dass seine Schritte ihn dorthin führten, bis er vor der Tür stand.
Drinnen war alles dunkel. Es war bereits viel später, als er gedacht hatte. Er trat gegen die Tür, bis Ivros Sohn und schließlich auch Ivro ihn anschrien, damit aufzuhören.
»Ich bin’s, Kennit!«, sagte er ins Dunkel. »Ich will eine andere Tätowierung.«
Im Haus wurde ein Licht entzündet. Einen Moment später riss Ivro die Tür auf. »Warum sollte ich meine Zeit verschwenden?«, wollte der kleine Handwerker wütend wissen. »Bring dein Anliegen woanders vor, bei einem Idioten mit Nadeln und Asche, der keinen Deut auf
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