Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
seine Arbeit gibt. Wenn du es dann am nächsten Tag wieder ausbrennst, zerstörst du wenigstens nichts Wertvolles.«
Er spuckte aus, dicht neben Kennits Stiefel. »Ich bin Künstler, keine Hure.«
Kennit packte den Mann an der Gurgel, hob ihn hoch und schüttelte ihn hin und her. »Ich habe bezahlt, verdammt!«, hörte er sich schreien. »Ich habe dafür bezahlt und damit gemacht, was ich wollte. Verstanden?«
Er gewann seine Beherrschung genauso schnell wieder, wie er sie verloren hatte. Schwer atmend stellte er den Künstler wieder auf die Füße. »Verstanden?«, knurrte er leise. Er sah den Hass in den Augen des Mannes, aber auch die Furcht dahinter. Er würde es tun. Er würde es für das schwere Gold tun, das in der Börse klimperte, die Kennit ihm zeigte. Künstler und Huren, beide konnte man mit Gold kaufen. Ein Künstler war nichts weiter als eine Hure, die man besser bezahlte.
»Komm rein.«
Ivros Stimme klang bedrohlich. Mit einem leichten Beben wurde Kennit klar, dass dieser Mann ihm nicht nur Kunst schenken, sondern auch Schmerz zufügen würde.
Aber er war Künstler genug, um die Tätowierung so perfekt zu machen, wie er nur konnte, das wusste Kennit. Schmerz und Perfektion. Es war der einzige Pfad zur Erlösung, den Kennit kannte. Und wenn er seinem Glück jemals eine Entschädigung bieten musste, dann heute Nacht. Kennit folgte dem Mann in seinen Salon und knöpfte sein Hemd auf, während Ivro scheinbar unendlich viele Kerzen entzündete. Er faltete das Hemd sorgfältig und setzte sich auf den niedrigen Schemel, Hemd und Rock über den Schoß gelegt. Schmerz und Perfektion. Er empfand eine schreckliche Vorahnung der Erlösung, als Ivro näher kam, Kerzen auf den Tisch stellte und sein Werkzeug zum Vorschein brachte.
»Wo und was?«, fragte Ivro. Seine Stimme war so grausam kalt wie die von Kennit, wenn er mit einer Hure sprach.
»Im Nacken«, erwiderte Kennit leise. »Ein Anderer.«
»Ein Anderer?«, fragte Ivro gereizt. Er zog einen Tisch heran.
Kleine Töpfe mit leuchtender Farbe waren dort ordentlich nebeneinander aufgereiht. Er stellte einen höheren Stuhl hinter den von Kennit und setzte sich darauf.
»Ein Anderer«, wiederholte Kennit. »Wie von Anderland. Du weißt, was ich meine.«
»Das weiß ich«, antwortete Ivro bissig. »Es ist eine Unglücks-Tätowierung, und ich werde sie dir nur zu gern ins Fleisch bohren, du Hurensohn.«
Er ließ die Fingerspitzen leicht über Kennits Haut wandern, prüfend, abschätzend. In Jamaillia konnte ein Besitzer sein Zeichen in das Gesicht eines Mannes stechen lassen. Selbst wenn ein Sklave seine Freiheit wiedergewann, war es illegal, die Zeichen seiner Sklavenschaft auszubrennen. Aber auf den Pirateninseln konnte jeder Mann jede Kunst, die er wollte, überall auf seinen Körper stechen lassen. Einige ehemalige Sklaven wie Sorcor bevorzugten eine Brandnarbe. Andere ließen ihre alten Sklaventätowierungen zu neuen Symbolen ihrer Freiheit umarbeiten. Ivros Finger stießen auf die Spuren der beiden Tätowierungen, die bereits Kennits Rücken zierten. »Warum hast du sie ausbrennen lassen? Mochtest du sie nicht?«
Nach einer Pause fuhr er fort: »Lass den Kopf nach vorn hängen. Die Schatten stören mich.«
»Ich mochte sie sehr«, antwortete Kennit gedämpft. Er fühlte den ersten Stich einer Nadel in seiner Haut. Über seine Arme lief eine Gänsehaut, und seine Kopfhaut zuckte vor Schmerz. Er fügte hinzu: »Ich mochte die Brandnarben noch lieber.«
»Du bist ein Verrückter«, bemerkte Ivro, aber seine Stimme klang abgelenkt. Kennit bedeutete ihm nichts mehr, er war kein Mensch und auch kein Feind. Nur eine Leinwand für seine Kunst, von der er besessen war. Die winzige Nadel bohrte sich ins Fleisch, immer und immer wieder. Seine Haut zuckte unter dem Schmerz. Er hörte, wie Ivro ein leises, zufriedenes Stöhnen ausstieß.
Es ist die einzige Möglichkeit, dachte er. Die einzige Möglichkeit, das Pech auszumerzen. Es war eine schlechte Entscheidung gewesen, nach Anderland zu segeln, und jetzt musste er dafür bezahlen. Tausend Nadelstiche und für einen Tag das Stechen einer frischen Tätowierung. Dann die reinigende Qual des Brenneisens, das den Fehler auslöschte, als wäre er nie geschehen. Um mein Glück stark zu halten, sagte sich Kennit, als er die Fäuste ballte. Hinter ihm summte Ivro vor sich hin. Er genoss beides, seine Arbeit und seine Rache.
5. Bingtown
Siebzehn Tage. Althea blickte aus dem winzigen Bullauge ihrer Kajüte und
Weitere Kostenlose Bücher