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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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flüsterte sie erneut. Er bog den Rücken, und seine Brust hob sich in dem Bemühen, Luft zu bekommen.
    Dann drehte er den Kopf und suchte mit seinem Blick den ihren, bevor er wieder auf die Planken zurücksank. Der lange Kampf war vorbei. Das Lebenslicht und die Anspannung erloschen in seinen Augen. Sein Körper sank scheinbar knochenlos auf das Deck, als würde er mit dem Holz verschmelzen. Seine Hand ließ den Pflock los. Als ihre Schwester Keffria aufstand, fiel Althea nach vorn. Sie legte ihre Hand auf die Brust ihres Vaters und weinte unverhohlen und verzweifelt.
    Deshalb sah sie nicht, was Brashen miterlebte. Keffria stand auf und reichte Kyle den Pflock. Ungläubig musste Brashen mitansehen, wie der ihn akzeptierte und davonging. Er hielt den kostbaren Pflock so, als habe er wahrhaftig ein Recht darauf, ihn zu besitzen. Für einen Augenblick hatte Brashen das unbändige Bedürfnis, ihm zu folgen. Dann jedoch hielt er sich zurück. Pflock oder nicht, die Viviace würde erwachen.
    Brashen hatte bereits das Gefühl, als verändere sie sich. Der Gebrauch des Pflocks würde die ganze Angelegenheit nur beschleunigen. Aber das Versprechen, das er seinem Kapitän gegeben hatte, enthielt jetzt eine andere Bedeutung für ihn.
    »Geh mit ihr, Sohn. Sie wird deine Hilfe brauchen. Und hilf ihr, dies alles durchzustehen.« Kapitän Vestrit hatte nicht von dem Pflock oder seinem Tod gesprochen. Brashen beschlich Unwohlsein, als er versuchte, sich einzugestehen, was genau er da eigentlich versprochen hatte.
    Als Althea fühlte, wie jemand ihre Schultern packte, riss sie sich mit einer kurzen Bewegung los. Es war ihr gleich, wer es war. In nur wenigen Augenblicken hatte sie ihren Vater und die Viviace verloren. Es wäre einfacher für sie gewesen, wenn sie selbst das Leben verloren hätte. Sie konnte beides noch nicht ganz begreifen. Es ist nicht fair, dachte sie albernerweise.
    Wenn die Ereignisse nacheinander eingetreten wären, hätte sie vielleicht Zeit gehabt, einen Weg zu finden, damit fertig zu werden. Aber wann immer sie versuchte, an den Tod ihres Vaters zu denken, an den Moment, als es ihr klar wurde, stieg auch sofort der Verlust des Schiffes in ihr hoch. Trotzdem konnte sie nicht daran denken, nicht, solange sie neben ihrem toten Vater saß. Denn dann würde sie auch überlegen müssen, wie ihr Vater, den sie so verehrt hatte, sie so vollständig hatte im Stich lassen können. Ihr Schmerz mochte verheerend sein, dennoch fürchtete sie sich davor, auch nur einen Augenblick an ihre Wut zu denken. Wenn sie ihr freien Lauf ließ, würde sie sie verzehren und nichts weiter übrig lassen als glühende Asche.
    Die Hände waren wieder da, legten sich auf ihre gebeugten Schultern und packten zu. »Geh weg, Brashen«, sagte sie kraftlos. Aber sie besaß nicht mehr die Willenskraft, seinen Griff einfach abzuschütteln. Die Wärme und Festigkeit seiner Hände erinnerten sie zu sehr an den zuverlässigen Griff ihres Vaters. Manchmal war er an Deck gekommen, wenn sie Ruderwache hatte. Er konnte sich so leise bewegen wie ein Geist, wenn er wollte. Das wusste die Mannschaft, und sie wusste auch, dass man nie sicher sein konnte, ob er nicht lautlos auftauchte. Er redete niemals einem Mann in seine Arbeit hinein, aber er überprüfte ihre Leistung mit einem wissenden Blick. Sie stand am Ruder, beide Hände auf dem Rad, und hielt einen geraden Kurs. Sie wusste erst, dass er da war, wenn sie seinen festen, anerkennenden Griff auf ihrer Schulter spürte.
    Dann ging er weiter oder blieb neben ihr stehen und rauchte eine Pfeife, während er die Nacht und das Wasser und seine Tochter beobachtete, die sein Schiff durch beides hindurchsteuerte.
    Irgendwie verlieh ihr diese Erinnerung Stärke. Die Schärfe ihrer Trauer sank zu einem dumpfen, pochenden Schmerz herab. Sie richtete sich auf und straffte die Schultern. Sie verstand nichts, nicht, wie er hatte sterben und sie verlassen können, und ganz gewiss nicht, wie er ihr das Schiff hatte wegnehmen und ihrer Schwester geben können. »Aber weißt du, er hat oft Befehle gebellt, und ich hatte keinen Schimmer, was sie zu bedeuten hatten. Ich bin einfach aufgesprungen und habe gehorcht, und es war immer richtig. Es war immer richtig.«
    Sie drehte sich um und erwartete, Brashen zu sehen.
    Stattdessen stand Wintrow hinter ihr. Es überraschte sie und machte sie fast wütend. Was bildete er sich ein, sie so vertraulich zu berühren, ganz zu schweigen davon, ihr auch noch einen blassen Abklatsch

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