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Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler

Titel: Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wichtig für mich.«
    »Noch ist er nicht tot!«, fuhr sie ihn an. Sie strich sich mit den Händen über das Gesicht und schob ihr Haar zurück. Dann stapfte sie an ihm vorbei aus der Kajütentür. Nach einem Moment folgte er ihr. Typisch Althea. Sie hatte einfach keine Vorstellung davon, dass außer ihr noch andere Menschen existierten. Sie hatte auf seinen Schmerz reagiert, als ob er diese Worte aus bloßer Höflichkeit geäußert hätte. Ob sie jemals darüber nachdachte, was ihr Vater für ihn oder die Mannschaft bedeutete? Kapitän Vestrit war einer der ehrlichsten und fairsten Männer, die je ein Schiff aus Bingtown herausmanövriert hatten. Ob Althea auch nur ahnte, wie selten es vorkam, dass einem Kapitän tatsächlich das Wohlergehen seiner Mannschaft am Herzen lag? Nein, natürlich konnte sie das nicht. Sie war niemals an Bord eines Schiffes gesegelt, auf dem die Essensrationen aus madigem Brot und klebrigem Pökelfleisch bestanden, das schon beinahe giftig war. Sie hatte noch nie gesehen, wie ein Matrose von einem Ersten Maat fast zu Tode geprügelt worden war, und zwar nur deshalb, weil er nicht schnell genug auf ein Kommando reagiert hatte. Zwar duldete auch Kapitän Vestrit keinerlei Nachlässigkeit bei seinen Matrosen, aber niemals hatte er Brutalität angewendet. Und er kannte seine Leute. Es waren keine x-beliebigen Herumtreiber, die in irgendeinem Hafen angemustert worden waren, weil er zufällig seine Mannschaft auffüllen musste; vielmehr handelte es sich um Männer, die er selbst ausgebildet hatte und die ihre Aufgaben sehr genau kannten.
    Diese Männer hatten auch ihren Kapitän gekannt und ihm vertraut. Brashen wusste, dass einige von ihnen höhere Positionen auf anderen Schiffen abgelehnt hatten, nur um auf der Viviace bleiben zu können. Einige Matrosen waren nach den geltenden Maßstäben Bingtowns eigentlich zu alt, um noch an Bord zu arbeiten, aber Ephron hatte sie aufgrund ihrer Erfahrung behalten und ihnen jüngere, kräftigere, sorgfältig ausgesuchte Seeleute zur Seite gestellt, damit sie von ihnen lernten. Er hatte ihnen sein Schiff anvertraut, und sie hatten ihre Zukunft in seine Hände gelegt. Jetzt, da die Viviace sie selbst werden sollte, hatte er Sa angefleht, dass sie die Moral und die Vernunft besäße, sie zu behalten und ihnen gerecht zu werden. Denn für viele der älteren Seeleute war die Viviace das einzige Heim, das sie kannten.
    Brashen war einer von ihnen.

6. Das Erwachen der Viviace
    Sie brachten ihn auf einer Bahre an Bord. Bei diesem Anblick krampfte sich Brashens Herz zusammen, und plötzlich brannten Tränen in seinen Augen. In dem Moment, in dem er die schlaffe Gestalt unter dem linnenen Laken in den Armen hielt, wurde ihm das volle Ausmaß der Wahrheit bewusst. Sein Kapitän war an Bord gekommen, um zu sterben. Seine heimliche Hoffnung, dass es Ephron Vestrit nicht wirklich so schlechtging, dass die Seeluft und das Deck seines Schiffes ihn wunderbarerweise heilen könnten, war nichts weiter als ein kindischer Traum. Er trat respektvoll zurück, während Kyle die Männer anführte, die seinen Schwiegervater trugen. Sie stellten seine Bahre unter dem Baldachin ab, den Brashen aus Segeltuch zusammengeflickt hatte. Althea war so bleich, als wäre sie aus Elfenbein geschnitzt. Sie stand oben, um ihn in Empfang zu nehmen. Die Familie trottete hinter ihm her wie eine Herde verirrter Schafe und scharte sich um Ephron Vestrits Bahre, als wären sie Gäste und er ein gedeckter Tisch.
    Seine Frau und seine ältere Tochter schienen beide vollkommen verängstigt und am Boden zerstört. Die Kinder, einschließlich eines älteren Jungen, wirkten verwirrt. Kyle hielt sich abseits und blickte missbilligend drein, als mustere er ein schlecht repariertes Segel oder eine unsachgemäß verstaute Ladung.
    Nach einigen Minuten schien sich Althea von ihrer Lähmung zu erholen. Sie ging ohne ein Wort davon und kehrte kurz darauf mit einem Krug und einer Tasse zurück. Sie kniete sich auf das Deck neben ihren Vater und reichte ihm etwas zu trinken.
    Es war die erste Bewegung, die Brashen an seinem alten Kapitän wahrnahm: Ephron wandte seinen Kopf zur Seite und schaffte es, ein paar Schluck Wasser zu trinken. Dann erinnerte er sie mit einer unbestimmten Bewegung seiner skelettartigen Hand daran, dass er von der Bahre heruntergenommen und auf das Deck gelegt werden musste. Brashen trat bei dieser Geste beinahe automatisch vor, weil er so oft auf die Handbewegungen seines Kapitäns

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