Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
kalt. Er kniff sie vorsichtig und beobachtete, wie langsam sich ihre Haut wieder erholte. Sie brauchte Wasser oder einen Brei. Flüssigkeit. Sie strahlte nur Elend und Resignation aus. Es fühlte sich an, als habe sie den Tod bereits willkommen geheißen. »Es ist normal, dass man nach der Geburt eines Kindes blutet, weißt du?«, sagte er. »Und auch nach dem Verlust eines Kindes. Es müsste bald aufhören.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat mir eine zu starke Dosis gegeben, damit ich das Kind verliere. Eine schwangere Frau kann nicht so hart arbeiten, weißt du. Ihr Bauch ist hinderlich. Also haben sie mir die Medizin eingeflößt, und ich habe das Kind verloren. Vor einer Woche. Aber ich blute immer noch, und das Blut ist hellrot.«
»Selbst ein Strom von hellrotem Blut bedeutet nicht den Tod.
Du kannst dich erholen. Bei ordentlicher Pflege kann eine Frau…«
Sie lachte bitter und schnitt ihm damit das Wort ab. Er hatte noch nie ein Lachen gehört, das einem Aufschrei so ähnlich gewesen war.
»Du sprichst von einer Frau. Ich bin eine Sklavin. Nein, eine Frau muss daran nicht sterben, aber ich, ich schon.«
Sie rang nach Luft. »Der Trost von Sa. Das ist alles, worum ich bitte.«
Sie neigte den Kopf, um ihn zu empfangen.
Vielleicht begriff Wintrow erst in diesem Moment wirklich, was Sklaverei bedeutete. Er hatte gewusst, dass es etwas Schlechtes war, denn das hatte man ihn seit seinem ersten Tag im Kloster gelehrt. Aber jetzt sah und hörte er die stille Resignation in der Haltung und der Stimme dieser jungen Frau.
Sie erhob sich nicht gegen den Herrn, der das Leben ihres Kindes geraubt hatte. Sie sprach davon, als wäre es das Wirken einer höheren Macht, eines Orkans oder einer Überschwemmung. Seine Grausamkeit und seine Bosheit schienen sie nicht zu betreffen. Sie sprach nur von dem Ergebnis, dem Bluten, das nicht aufhören wollte, und dass sie erwartete, ihm schließlich zu erliegen. Wintrow starrte sie an.
Sie müsste nicht sterben. Er vermutete, dass sie das genauso gut wusste wie er. Wenn man ihr einen warmen Brei, ein Bett und einen Unterschlupf geben würde, Nahrung und Ruhe… Und die bekannten Kräuter, die eine Frau stärkten. Bei dieser Pflege konnte sie sich zweifelsohne erholen, noch viele Jahre leben und auch Kinder gebären. Aber das traf auf sie nicht zu. Sie wusste es, die anderen Sklaven wussten es, und selbst Wintrow begriff es beinahe. Und dieses Wissen hatte fast dieselbe Wirkung, wie seine Hand in Erwartung des Messers auf das Deck zu pressen.
Sobald die Realität zuschlug, konnte er nicht mehr derselbe sein.
Das hier zu akzeptieren bedeutete, einen kleinen Teil von sich selbst zu verlieren.
Unvermittelt stand er auf. Er war entschlossen, aber seine Stimme war leise, als er sprach.
»Warte hier und gib die Hoffnung nicht auf. Ich gehe zu Sas Tempel und hole Hilfe. Sicher kann dein Herr zur Vernunft gebracht werden und wird einsehen, dass du ohne Pflege stirbst.«
Er lächelte bitter. »Falls alles andere scheitert, können wir ihn vielleicht darauf hinweisen, dass eine lebendige Sklavin mehr wert ist als eine tote.«
Der Mann, der ihn angesprochen hatte, sah ihn ungläubig an.
»Der Tempel? Von dort bekommen wir keine Hilfe. Ein Hund ist ein Hund, und ein Sklave ist ein Sklave. Weder dem einen noch dem anderen wird dort Sas Trost gespendet. Die Priester singen zwar Sas Lieder, aber sie tanzen nach der Flöte des Satrapen. Und der Mann, der unsere Arbeit verkauft, besitzt uns nicht einmal.
Ihn interessiert nur, dass er einen Prozentsatz von dem bekommt, was wir jeden Tag verdienen. Davon versorgt er uns, bringt uns unter und verabreicht uns Medikamente. Der Rest geht an unseren Besitzer. Unser Vermittler wird seinen Anteil nicht kleiner machen, indem er versucht, Calas Leben zu retten.
Warum auch? Es kostet ihn nichts, wenn sie stirbt.«
Der Mann sah Wintrow an und bemerkte seine Verständnislosigkeit und seine Ungläubigkeit. »Ich war ein Narr, dich zu rufen.«
Seine Stimme klang bitter. »Die Jugend in deinen Augen hat mich getäuscht. Ich hätte an deiner Priesterrobe erkennen müssen, dass ich in dir keine willige Hilfe finden würde.«
Er packte Wintrow an der Schulter und drückte fest zu. »Spende ihr Sas Trost. Oder ich schwöre, dass ich dir jeden Knochen im Leib breche.«
Sein Griff versicherte Wintrow, dass er dazu in der Lage war.
»Du musst mir nicht drohen«, keuchte Wintrow. Er wusste, wie feige seine Worte klangen. »Ich bin Sas
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