Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Diener.«
Der Mann schleuderte ihn verächtlich vor der Frau zu Boden.
»Dann tu es, und beeil dich.«
Der Mann hob den Blick und starrte an Wintrow vorbei. Der Händler und sein Kunde verhandelten immer noch. Letzterer hatte der Sklavenreihe den Rücken zugekehrt, aber der Händler stand ihnen gegenüber. Er lächelte über einen Witz, den der Kunde gemacht hatte, und lachte dann lauthals. Ha, ha, ha. Es klang mechanisch, und die ganze Zeit über versprachen seine geballte Faust und sein böser Blick, mit dem er seine Sklaven bedachte, schwerste Bestrafung, wenn sein Handel gestört würde. In der anderen Hand hielt er einen kleinen Prügel, mit dem er ungeduldig gegen sein Bein klopfte.
»Ich… Man darf das nicht überstürzen«, protestierte Wintrow, noch als er vor der Frau kniete und sich konzentrierte.
Als Antwort erhob sich die Frau. Jetzt erst sah Wintrow, dass ihre Beine blutverschmiert waren und der Boden unter ihr davon getränkt. Selbst ihre Fußfesseln waren damit beschmiert. »Lern?«, meinte sie kläglich.
Der andere Sklave trat rasch neben sie. Sie lehnte sich schwer an ihn und atmete stöhnend.
»Es muss schnell gehen«, sagte der Mann scharf.
Wintrow überschlug einige Gebete. Er ließ die Vorbereitungen aus und auch die beruhigenden Worte, die dazu dienen sollten, ihren Verstand und ihren Geist vorzubereiten. Er stand einfach auf und berührte sie mit den Händen. Er legte die Finger an die Seiten des Halses und spreizte sie, bis er die richtigen Punkte fand. »Das ist nicht der Tod«, versicherte er ihr. »Ich befreie dich nur von den Ablenkungen dieser Welt, damit deine Seele sich auf die nächste vorbereiten kann. Bist du damit einverstanden?«
Sie nickte langsam.
Er akzeptierte ihre Zustimmung. Er holte tief Luft und verband sich so mit ihr. Er suchte in sich selbst, in der vernachlässigten Blüte seiner Priesterschaft. Bisher hatte er dies noch nie selbst durchgeführt. Aber er kannte den Ablauf, und wenigstens das konnte er ihr gewähren. Er bemerkte beiläufig, dass der Sklave mit seinem Körper den Blick des Händlers blockierte und Wache hielt. Die anderen Sklaven drängten sich dichter um sie, damit die Passanten nichts von dem bemerkten, was hier vor sich ging. »Schnell«, drängte Lern Wintrow erneut.
Dieser übte einen leichten Druck mit seinen Fingern auf die Stellen aus, die sie so unfehlbar gefunden hatten. Der Druck würde die Furcht und den Schmerz bannen, während er mit ihr sprach. Und solange er drückte, musste sie zuhören und seine Worte glauben. Erst gab er ihr den Körper zurück. »Für dich, jetzt, das Schlagen deines Herzens, das Pumpen von Luft in deine Lungen. Für dich, jetzt, das Sehen mit deinen Augen, das Hören mit deinen Ohren, das Schmecken mit deinem Mund, das Fühlen mit deiner Haut. All diese Dinge vertraue ich jetzt deiner Kontrolle an, dass du ihnen befiehlst zu sein oder nicht zu sein. All dies gebe ich dir zurück, auf dass du dich mit klarem Verstand auf den Tod vorbereiten magst. Den Trost von Sa spende ich dir, auf dass du ihn anderen anbieten magst.«
Er sah immer noch Zweifel in ihren Augen. Er half ihr, ihre eigene Macht zu erkennen. »Sprich mir nach: ›Ich spüre keine Kälte.‹«
»Ich spüre keine Kälte«, wiederholte sie schwach.
»Sprich mir nach: ›Der Schmerz ist nicht mehr.‹«
»Der Schmerz ist nicht mehr.«
Die Worte waren nur ein schwaches Hauchen, aber noch während sie sie aussprach, glätteten sich ihre Gesichtszüge. Sie war erheblich jünger, als er geschätzt hatte. Sie sah Lern an und lächelte. »Der Schmerz ist weg«, sagte sie, ohne aufgefordert worden zu sein.
Wintrow nahm seine Hände fort, blieb aber dicht neben ihr stehen. Sie lehnte ihren Kopf an Lerns Brust. »Ich liebe dich«, sagte sie. »Du bist alles, was mein Leben erträglich gemacht hat. Ich danke dir.«
Sie holte seufzend Luft. »Dank den anderen für mich.
Für die Wärme ihrer Körper, dafür, dass sie mehr getan haben, als ich vielleicht bemerkt habe. Danke ihnen…«
Ihre Stimme verklang, und Wintrow sah, wie Sa in ihrem Gesicht aufblühte. Die Mühsale dieser Welt wichen bereits aus ihrem Verstand. Sie lächelte. Es war wie das unschuldige Lächeln eines Babys. »Sieh nur, wie wunderschön die Wolken heute sind, Liebster. Das Weiß gegen das Grau. Siehst du sie?«
So einfach war es. Sobald sie von ihrem Schmerz erlöst war, wandte sich ihr Geist der Betrachtung der Schönheit zu.
Wintrow hatte das schon oft miterlebt, aber es
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