Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
sind ja Seeschlangen unter uns. Aber was sollten wir gegen sie unternehmen? Sie tun uns nichts. Ich glaube, wir beide sollten sie einfach nicht beachten, was denkst du?«
Sie drehte sich um und starrte ihn an, aber Gantry mochte ihren Blick nicht erwidern. Was dachte er von ihr? Dass sie sich diese Seeschlangen nur einbildete? Dass ihre Trauer um Wintrow sie verrückt machte? Sie antwortete gelassen: »Ich bin nicht verrückt, Gantry. Es ist nur sehr… sehr schwer für mich, so allein zu sein. Aber ich werde nicht verrückt. Vielleicht sehe ich die Dinge jetzt sogar klarer als vorher. Ich sehe alles mit meinen Augen, nicht wie… wie die Vestrits.«
Ihre Erklärungsversuche schienen ihn nur noch mehr zu verwirren. »Nun. Selbstverständlich. Ehm…«Er sah wieder weg.
»Gantry, du bist ein guter Seemann. Ich mag dich.«
Sie hätte beinahe nicht weitergesprochen, aber dann tat sie es doch. »Du solltest auf einem anderen Schiff anheuern.«
Sie konnte die Furcht in seinem Schweiß riechen, als er antwortete. »Welches andere Schiff könnte schon mit dir mithalten?«, fragte er sie hastig. »Warum sollte ich ein anderes Schiff wollen, nachdem ich auf dir gesegelt bin?«
»Vielleicht, weil du leben möchtest«, erwiderte sie leise. »Ich habe ein schlechtes Gefühl, was diese Reise angeht. Ein sehr schlechtes Gefühl. Vor allem wenn ich sie allein unternehmen muss.«
»Sag nicht so etwas!«, erwiderte er grob, als wäre sie ein widerspenstiger Matrose. Ruhiger fuhr er fort: »Du bist nicht allein. Ich bin bei dir. Ich hole Findus, damit er dir etwas vorspielt, ja?«
Sie zuckte mit den Schultern. Schließlich hatte sie es versucht.
Dann richtete sie ihren Blick auf die weit entfernten Turmspitzen des Satrapenpalastes.
Nach einer Weile ging er fort.
Althea hatte befürchtete, dass Kapitän Tenira sie erkennen würde. Sie hatte vor drei Jahren mit seinem Sohn auf dem Winterball getanzt. Aber wenn der Bingtown-Händler eine Ähnlichkeit zwischen Athel, dem Leichtmatrosen, und Althea, der Tochter Ephron Vestrits, sah, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er betrachtete sie kritisch von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Du siehst aus wie ein guter Seemann, Junge, aber ich habe es dir schon gesagt: Ich brauche keinen Matrosen mehr. Meine Mannschaft ist komplett.«
Er hörte sich an, als habe er die Angelegenheit damit erklärt.
Althea senkte den Blick. Vor zwei Tagen hatte sie die Ophelia im Hafen gesehen. Der Anblick des silbrigen Rumpfs des alten Zauberschiffs und der lächelnden Galionsfigur hatte sie so tief getroffen, dass sie darüber erschrak. Ein paar Fragen, die sie in einer Taverne im Hafenviertel gestellt hatte, lieferten ihr alle Informationen, die sie brauchte. Das Zauberschiff segelte in ein paar Tagen nach Hause, nach Bingtown. Als sie das hörte, hatte Althea beschlossen, dass sie so oder so an Bord des Schiffes kommen würde. Sie hatte sich im Hafenviertel herumgedrückt und auf eine Chance gewartet, den Kapitän allein zu sprechen.
Ihr Plan war ganz einfach. Sie wollte erst versuchen, als Schiffsjunge anzuheuern. Falls das nicht klappte, wollte sie ihm ihre wahre Identität enthüllen und ihn um eine Überfahrt nach Hause bitten. Sie glaubte nicht, dass er es ihr abschlagen würde.
Trotzdem musste sie allen Mut zusammennehmen, um Tenira zu dieser Taverne im Hafenviertel zu folgen. Sie wartete, bis er gegessen hatte, bevor sie sich ihm näherte. Als er die Gabel weggelegt und sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, baute sie sich vor ihm auf. Sie nahm ihr Herz in beide Hände. »Sir, entschuldigt, Sir. Ich würde auch umsonst arbeiten, nur für die Überfahrt zurück nach Bingtown.«
Der Kapitän drehte sich auf dem Stuhl herum und verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum?«, fragte er misstrauisch.
Althea sah auf den Tavernenboden zwischen ihren nackten Füßen und biss sich auf die Lippen. Dann sah sie hoch, dem Kapitän des Lebensschiffes Ophelia direkt ins Gesicht. »Ich habe meine Heuer von der Reaper bekommen… Jedenfalls einen Teil davon. Ich würde gern nach Hause kommen, Sir, und sie meiner Mutter geben.«
Althea schluckte verlegen. »Bevor ich sie ausgegeben habe. Ich habe ihr versprochen, dass ich mit Geld nach Hause kommen würde, Sir. Weil es Vater nicht gut geht. Und ich versuche es, aber je länger ich auf ein Schiff nach Bingtown warte, desto mehr schmilzt das Geld zusammen.«
Sie sah wieder zu Boden. »Selbst wenn Ihr mir nichts zahlt, komme
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