Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
meinem Gesicht, nur stärker. Ich bewegte mich schnell, aus meinem eigenen freien Willen. Ich konnte mich beinahe daran erinnern… jemand zu sein… jemand, der überhaupt kein Vestrit war. Jemand, der anders war als alles, was ich in diesem Leben kennengelernt habe.
Es war sehr beängstigend. Aber…«
Sie hielt inne, als ihr ein Gedanke kam, den sie nicht äußern wollte.
Nach längerem Schweigen gab sie schließlich zu: »Ich glaube, es gefiel mir. Damals. Jetzt… Ich glaube, ich hatte das, was Menschen einen Alptraum nennen. Wenn Zauberschiffe schlafen könnten. Aber ich schlafe nicht, und deshalb konnte ich auch nicht ganz daraus erwachen. Die Seeschlangen im Hafen, Wintrow.«
Sie sprach jetzt schnell und leise und versuchte, ihm alles auf einmal verständlich zu machen.
»Niemand sonst hat sie im Hafen gesehen. Aber jetzt geben alle zu, dass uns diese eine weiße gefolgt ist. Doch da waren noch mehr von ihnen; sie haben sich im Schlamm des Hafenbeckens versteckt. Ich habe versucht, Gantry zu sagen, wo sie sind, aber er hat mir geraten, sie einfach zu ignorieren. Aber das konnte ich nicht, denn irgendwie haben sie diese Träume gemacht, die… Wintrow?«
Er döste, während die Sonne seine Haut erwärmte. Niemand konnte ihm das nach all den Fährnissen vorwerfen, die er hatte erdulden müssen.
Aber trotzdem war sie verletzt. Sie musste mit jemandem über diese Dinge sprechen, sonst wurde sie noch verrückt. Aber niemand war bereit, ihr richtig zuzuhören. Selbst jetzt, da Wintrow wieder an Bord war, fühlte sie sich isoliert. Sie vermutete, dass er sich irgendwie von ihr fernhielt. Dennoch, sie konnte es ihm weder vorwerfen, noch konnte sie etwas dagegen tun, dass es sie verletzte. Außerdem fühlte sie einen diffusen Ärger in sich aufsteigen. Die Vestrit-Farnilie hatte sie zu dem gemacht, was sie war, sie hatten diese Bedürfnisse in ihr geweckt. Dennoch, seit sie erwacht war, hatte sie nicht einen einzigen Tag ungestörte Kameradschaft erlebt. Kyle erwartete von ihr, lebhaft und zufrieden zu segeln, während ihre Laderäume voller Elend waren und sie keinen Gefährten hatte. Das war nicht fair.
Das Geräusch von Schritten auf ihrem Deck riss sie aus ihren Gedanken.
»Wintrow«, warnte sie ihn eindringlich, »dein Vater ist hierher unterwegs.«
»Du bist sehr weit von der Fahrrinne entfernt. Kannst du keinen Kurs halten?«, bellte Kyle Comfrey an.
Comfrey warf ihm einen undurchdringlichen Blick zu.
»Nein, Sir«, sagte er gleichmütig, um nicht den Anschein von Ungehorsam zu erwecken. »Ich scheine das nicht zu können.
Jedesmal, wenn ich es korrigiere, weicht das Schiff in die andere Richtung ab.«
»Schieb es nicht auf das Schiff. Ich habe es satt, dass die ganze Mannschaft an Bord dieses Schiffes ihre Inkompetenz auf sie abwälzt.«
»Nein, Sir«, stimmte Comfrey zu. Er sah starr geradeaus und drehte das Steuerrad erneut, um den Kurs zu korrigieren.
Die Viviace reagierte so zäh, als hätten sie einen Schleppanker geworfen. Plötzlich durchstieß eine Seeschlange die Wasseroberfläche in ihrem Kielwasser. Das hässliche Ding schien Kyle direkt anzusehen.
Kyle fühlte, wie sein Ärger aufwallte. Es war einfach zuviel.
Er war kein schwacher Mensch und konnte sich allem stellen, was das Schicksal ihm zumutete. Ungünstiges Wetter, schwierige Ladung, selbst einfaches Pech brachte ihn nicht aus der Ruhe. Aber das hier war etwas anderes. Und er konnte nicht sagen, wieviel er noch ertragen würde.
Sa wusste, dass er alles mit dem Jungen versucht hatte. Was hätte sein Sohn noch von ihm verlangen können? Er hätte ihm das ganze verdammte Schiff angeboten, wenn er sich nur wie ein Mann benommen hätte und ein bisschen auf ihn zugegangen wäre. Aber nein. Der Junge war davongelaufen und hatte sich in Jamaillia-Stadt zum Sklaven tätowieren lassen.
Also hatte er den Jungen aufgegeben. Er hatte ihn wieder auf das Schiff gebracht und ihn vollkommen zu ihrer Verfügung abgestellt. Behauptete sie nicht die ganze Zeit, dass sie genau das brauchte? Er hatte den Jungen heute Morgen zum Vordeck gebracht, sobald sie den Hafen hinter sich gelassen hatten. Das Schiff hätte zufrieden sein sollen, aber nein! Sie wälzte sich durch das Wasser, neigte sich erst zur einen und dann zur anderen Seite und trieb ständig aus der besten Fahrrinne ab. Sie beschämte ihn mit ihrer schlampigen Fahrt, genauso wie der Junge ihn beschämt hatte.
Es hätte alles so einfach sein können! Nach Jamaillia segeln, Sklaven an
Weitere Kostenlose Bücher